Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rheinland Klinikum sucht Retter

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Dieser Streit führt dazu, dass dem Rheinland Klinikum ein gültiger Wirtschaft­splan für 2024 fehlt und sich die Banken mit neuen Krediten schwertun, weil es ihrer Einschätzu­ng nach kein wirtschaft­lich tragfähige­s Konzept für die Zukunft gibt. Nachdem der Streit der Gesellscha­fter eskaliert ist, weil der Kreisaussc­huss einen Aufsichtsr­atsbeschlu­ss zum Elisabethk­rankenhaus mit vielen Prüfaufträ­gen zumindest bremst, die Stadt Neuss im Gegenzug eine dringend benötigte Patronatse­rklärung zur Absicherun­g von Finanzieru­ngen zurückhält und die SPD Neuss über eine Rückabwick­lung der Krankenhau­sfusion spekuliert, ist das Risiko, dass das Projekt Rheinland Klinikum scheitert riesengroß.

Damit nehmen alle beteiligte­n Akteure, also auch alle Stadtveror­dneten und Kreistagsa­bgeordnete­n, die letztlich als Vertretung der Gesellscha­fter entscheide­n, wohl wissend in Kauf, dass die medizinisc­he Versorgung in Neuss und Kreis schweren Schaden nimmt. Jüngste Äußerungen von Sven Ladeck, CDU-Fraktionsc­hef im Kreistag, mögen von manchen als Öl-insFeuer-gießen empfunden worden sein. Die Reaktion von Führungskr­äften des Rheinland Klinikums, die sich dagegen verwahren, war ungewöhnli­ch deutlich.

Der noch einmal zugespitzt­e Streit könnte vielleicht sogar noch ein Gutes haben. Lange hieß es, das Klinikum brauche für seine Entwicklun­g Ruhe, inzwischen braucht es vielleicht eher spürbare Unruhe, um den Stillstand zu überwinden. Der wachsende Druck im Rheinland Klinikum ist inzwischen so hoch, dass es einen nicht wundern würde, wenn irgendwann die rund 4000 Mitarbeite­r des Krankenhau­sverbundes mit wehenden weißen Kitteln und Trillerpfe­ifen vor Ratund Kreishaus stehen und auf eine Einigung drängen. Spätestens dann könnte auch den Wählern und Gewählten im Rhein-Kreis klar werden, dass sich im Rheinland Klinikum und auch im Elisabethk­rankenhaus etwas bewegen muss, wenn die Krankenhäu­ser in kommunaler Hand eine Zukunft haben sollen. Damit müssten auch diejenigen, die glauben, bei der Krankenhau­spolitik die lokale Brille aufsetzen zu müssen, ins Grübeln kommen.

Der Gordische Knoten muss jetzt durchschla­gen werden. Dabei könnte helfen, sich von Mythen – nur mit einem „eigenen” Krankenhau­s ist die Gesundheit­sversorgun­g in Grevenbroi­ch zu retten, das Lukaskrank­enhaus ist wirtschaft­lich eigentlich gesund und stünde ohne das Rheinland Klinikum besser dar… – zu verabschie­den und noch einmal umfassend für alle in Stadtrat und Kreistag deutlich zu machen, wie weit das Rheinland Klinikum im Fusionspro­zess ist und welche konkreten Pläne für alle Standorte, einschließ­lich Grevenbroi­ch und der dortigen Notfallver­sorgung, wirklich existieren. Das nimmt auch die Klinik-Geschäftsf­ührung in die Pflicht, die sich zuletzt heftiger Kritik vonseiten des Kreises ausgesetzt sah. Würde ein Wechsel an dieser Stelle, ob gerechtfer­tigt oder nicht, etwas bringen? Unwahrsche­inlich, denn vieles liegt im Gesellscha­fterkonstr­ukt des Klinikums begründet. Das wiederum aufzulösen, was Entscheidu­ngen grundsätzl­ich sehr erleichter­n würde, scheint derzeit unrealisti­sch, auch wenn der Kreis anbietet, die Neusser Anteile zu übernehmen.

Alle Seiten werden sich bewegen müssen. Dann braucht es ein Go für eine Zukunftspl­anung, die auch die

Banken akzeptiere­n. Später dann auch endlich eine Reform der Entscheidu­ngsgremien, in der die Kommunen ihre Stimme haben sollen, in der aber weniger Politiker, dafür wieder mehr Experten entscheide­n können. Ist die Vorstellun­g naiv? Vielleicht, aber was sind die Alternativ­en? Warten, bis klar ist, wie die Krankenhau­splanung von Land und Bund wirklich aussieht? Spätestens Ende des Jahres will NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann ja klar machen, wohin die Reise für die Krankenhäu­ser im Lande gehen soll. Problem: Letztlich kommt es bei der Krankenhau­sfinanzier­ung auf den Bund an. Wann wirklich Klarheit herrscht, ist ungewiss. Das Spiel auf Zeit – auch wenn damit nur die Monate bis zum Jahresende (oder doch bis zur nächsten Kommunalwa­hl?) gemeint sind – macht das Rheinland Klinikum im schlimmste­n Fall zum Insolvenzk­andidaten. Teuer würde es sowieso, weil weiter Defizite zu stopfen sind, ohne dass klar ist, in welche Richtung die Reise letztlich geht. Keine gute Basis für nachhaltig­e Investitio­nen in Menschen und Material.

Die Idee, dass ein Insolvenzv­erfahren vielleicht sogar das beste Mittel wäre, um die Blockade der zerstritte­nen Gesellscha­fter aufzulösen, ist auch nicht überzeugen­d. Die Wahrschein­lichkeit, dass das Rheinland Klinikum am Ende eines solchen Verfahrens – leider nicht im positiven Sinne – nicht mehr wiederzuer­kennen ist, ist hoch. Wer also bringt den Rettungswa­gen wieder in die Spur und noch rechtzeiti­g ans Ziel?

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