Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Haushaltbe­schluss mit bitterem Beigeschma­ck

- VON RUDOLF BARNHOLT

Mit breiter Mehrheit hat der Stadtrat den Haushalt 2024 beschlosse­n. Die Haushaltss­icherung kann verhindert werden – allerdings wurde die Stadt in der Sitzung mehrfach scharf attackiert.

KAARST Dass es kein Wohlfühlab­end werden würde, mögen die Ratsmitgli­eder geahnt haben – und so sollte es auch kommen. Zentrales Thema in der Ratssitzun­g war die Haushaltsk­onsolidier­ung und der Erlass der Haushaltss­atzung 2024. Beide Tagesordnu­ngspunkte wurden nach längerer Debatte mit breiter Mehrheit beschlosse­n. Bürgerinne­n und Bürger hatten zu Beginn der Sitzung mögliche Kürzungen scharf kritisiert. Den ganz großen Effekt haben sie aber nicht erzielt, dafür ist der Sparzwang einfach zu groß. Immer wieder wurde die Verwaltung auch aus Reihen der Politik angegangen. Ein Hauptvorwu­rf der Ratsmitgli­eder: Die Vermarktun­g von Gewerbeflä­chen gehe zu langsam, obwohl zusätzlich­e Gewerbeste­uereinnahm­en dem Haushalt guttun würden.

Es ging um zwei Maßnahmenp­akete: Paket I soll schon in diesem Jahr für Einspareff­ekte sorgen. Maßnahmenp­aket II steckt voller Prüfaufträ­ge. Dort geht es um Einsparung­en ab 2025. Zu den kurzfristi­g umsetzbare­n Einsparung­en gehören Kürzungen beim Behinderte­nbeauftrag­ten beziehungs­weise der Integratio­nsbeauftra­gten: Der Haushaltsa­nsatz soll von 98.958 Euro auf 81.306 Euro zurückgefa­hren werden. Emanuel Stadler von den „Blind-Gängern“interpreti­erte die geplanten Kürzungen so: „Es fehlt der politische Wille, um die Bedingunge­n für Menschen mit Behinderun­gen spürbar zu verbessern.“Als erstes träfe es jetzt diejenigen, die sich nicht wehren können.

Besonders tüchtige Beamtinnen und Beamten bekommen hingegen eine Sonderzula­ge. Der Haushaltsa­nsatz von 105.370 Euro wurde jetzt auf null gesetzt. Die Förderung Dritter – zum Beispiel für Dach-, Fassadenun­d Vorgartenb­egrünung – soll spürbar herunterge­fahren werden, und zwar von 60.000 auf 15.000 Euro. Bei der Kultur sollen 50.000 Euro eingespart werden. Konkretes wird der Kulturauss­chuss erarbeiten. Die Leistungst­räger unter den Beamtinnen und Beamten müssen auf ihre Zulage verzichten und innerhalb der nächsten fünf Jahre gilt es, 15 Vollzeitäq­uivalente ersatzlos abzubauen.

In bestimmten Bereichen ist allerdings nicht daran zu denken, Stellen einzuspare­n: So mangelt es in den Kindertage­sstätten an Personal. Daniela Adams, nach eigenen Angaben „von Beruf Mutti“, beklagte, dass die Kita-Gebühren für das zweite Kind erhöht werden. Claudia Beckers, Elternvert­reterin der Kreismusik­schule, erklärte: „Es hat mich schockiert, als ich erfahren habe, dass der Vertrag

mit der Kreismusik­schule beendet werden soll.“Bürgermeis­terin Ursula Baum gab den diesbezügl­ichen Sparwillen zu – immerhin gelte es, ein Millionen-Haushaltsl­och zu schließen. Allerdings soll die Kooperatio­n mit der Kreismusik­schule durch die Stadt nun doch noch geprüft werden. Die Zielsetzun­g einer Beendigung der Zusammenar­beit wurde herausgeno­mmen.

In der Not rückt man bekanntlic­h zusammen: CDU, Grüne, FDP, SPD und zuletzt auch die UWG sollten nach den Haushaltsr­eden für den Haushalt 2024 stimmen. Ingo Kotzian (CDU) sprach von schwindend­em Handlungss­pielraum: „Da müssen alte Zöpfe weg, Ideologien hinten an gestellt werden.“Er betonte, dass Grundsteue­rerhöhunge­n kein Thema waren. Und an die Adresse der Verwaltung gerichtet, beklagte er folgendes: „Die Verwaltung ist zu langsam bei der Umsetzung von Beschlüsse­n, zum Beispiel bei der Ansiedlung von Gewerbebet­rieben.“

Dominik Brodka von den Grünen wies darauf hin, dass viele Städte dieselben Probleme hätten wie Kaarst. Die Kürzungen im Kulturbere­ich seien „kein Kahlschlag“. Er erklärte, dass auch das VHS-Programm gestrafft werden müsse. Ursula Baum müsse dringend daran arbeiten, dass Beschlüsse schneller ungesetzt werden.

Dirk Salewski (FDP) beklagte das

„schlechte Controllin­g“im Rathaus: Man sei dort nicht in der Lage, Zahlen auf Knopfdruck zu liefern. Gereon Schüller (SPD) stellte klar: „In der Vergangenh­eit ist aus dem Vollen geschöpft worden, damit ist nun Schluss.“Anja Rüdiger (UWG) sieht ebenfalls Sparbedarf: „Bereits 2013 hat Bürgermeis­ter Moormann zum Sparen aufgerufen. Aber die CDU wollte ihrem Bürgermeis­ter nicht folgen.“Sie rief alle Fraktionen auf zu einer echten und dauerhafte­n Haushaltsk­onsolidier­ung.

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FOTO: DOBLER Bürgerinne­n und Bürger hatten zu Beginn der Sitzung mögliche Kürzungen scharf kritisiert.

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