Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Opposition fordert Rücktritt von Mertens
Spitzen von CDU, FDP, Grüne und UWG haben am Freitag als Konsequenz aus der Vielzahl von Vorwürfen gegen Bürgermeister Martin Mertens dessen Rücktritt gefordert. Derweil räumt Mertens per Video in etwas größerem Umfang Fehler ein.
ROMMERSKIRCHEN Geht es nach dem Willen von CDU, FDP, Grüne und UWG, soll Bürgermeister Martin Mertens (SPD) von seinem Amt zurücktreten. Diese Forderung erhoben am Freitag Spitzen dieser Parteien. Sie werfen Mertens „gezieltes Mobbing und Verletzungen des Arbeitszeitgesetzes“vor. Sie sagen: „Dies ist ein notwendiger Schritt, um weiteren Schaden von unserer Gemeinde abzuwenden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor weiterem schädlichen Verhalten zu schützen.“Die Oppositionsfraktionen wollen bei der Verwaltung eine Sondersitzung des Gemeinderates beantragen und dort ihre Forderung formulieren. Auch ein Abwahlverfahren ist möglich. Fast zeitgleich zur Pressekonferenz der Politiker in der Klause der Schützenhalle Anstel verbreitete Mertens ein Video. Darin spricht er von eigenen Fehlern und bittet die betroffenen Mitarbeitenden um Verzeihung. Er kündigte an, eine „Ansprechpartnerin als neutrale Vertrauensperson“benennen zu wollen.
„Es ist uns nicht leicht gefallen, diesen Schritt zu gehen“, sagte CDU-Parteivorsitzender Holger Hambloch, „aber die jüngsten Entwicklungen haben uns keine andere Wahl gelassen.“In den letzten Tagen seien „mutige Aussagen“von ehemaligen Mitarbeitern des Bürgermeisters in die Öffentlichkeit gelangt, die ein „beunruhigendes Bild“zeichneten. Gemeinsam mit Stephan Kunz (FDP-Fraktionsvorsitzender), Katharina Janetta (stellvertretende Parteivorsitzende der Grünen) und Ulrike Sprenger (UWG) bezeichnete er die Berichte in der NGZ als „nicht nur besorgniserregend“, sie stellten auch einen „ernsthaften Vorwurf gegenüber dem Führungsstil des Bürgermeisters dar“. Die Oppositionspolitiker sehen in den aktuellen Veröffentlichungen keinen einmaligen oder seltenen Vorgang. „Im Gegenteil, bringt man die aufgebrachten Vorwürfe in eine chronologische Reihe, stellt man fest, dass sie sich wie ein roter Faden durch die gesamte Amtszeit von Bürgermeister Martin Mertens ziehen“, so Hambloch. Ein „vermeintliches Angebot des Bürgermeisters, sich jetzt zu ändern und jetzt externe Unterstützung ins Boot zu holen, halten wir für fragwürdig“. Zum einen sei dafür seit 2014 mehr als genug Zeit gewesen und zum anderen sei der als befristet eingestellte ehemalige SPD-Bürgermeister Norbert Bude (Mönchengladbach) bereits seit Jahren in beratender Funktion für die Gemeinde und den BM tätig. Hambloch: „Was soll sich also ändern?“Durch einen Rücktritt von Mertens sollen „Grundsätze von Respekt und Vertrauen wieder Einzug in den Alltag der Gemeindeverwaltung halten“. Für Katharina Janetta ist klar: „Wir brauchen einen Neuanfang mit Respekt, Mut und Courage. Ohne Mertens.“Ihre Kritik: „Der Personalrat hat in der Vergangenheit nicht funktioniert.“Stephan Kunz sagte, man müsse jetzt „das Klima der Angst beenden, das zu körperlichen und seelischen Schäden geführt hat“. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem
Bürgermeister sei nicht mehr möglich. Hambloch appellierte an die SPD, „Farbe zu bekennen“.
Sollte Mertens nicht von sich aus zurücktreten, wolle man ein formales Abwahlverfahren initiieren, sagte Stephan Kunz. Kunz kündigte ebenfalls an, dass man das Verhalten von Gemeindesprecher Sebastian Meurer
thematisieren werde, dessen aggressive Äußerungen bei Facebook gegenüber Mertens-Kritikern („u.a. „sizilianischer Hurensohn“) man für völlig unangemessen halte und nicht akzeptieren werde. Aber auch Personal-Dezernentin Susanne Garding-Maak rückt in den Fokus: „Man geht als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin
nicht zu einer Personal-Dezernentin, von der man weiß, dass sie das Lied des Bürgermeisters singt.“
Die Eigenkündigung von Rommerskirchens Wirtschaftsförderin Franziska Velder hatte Pressemitteilungen mit kritischen Fragen von FDP und Grünen zur Amtsführung von Mertens ausgelöst. In der Folge meldeten sich viele ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem unmittelbaren beruflichen Umfeld des Bürgermeisters in der Redaktion. Was sie berichteten, löste Ungläubigkeit und Entsetzen in der Öffentlichkeit aus. Die Vorwürfe gen Mertens: Eine „unerträgliche Arbeitsatmosphäre“, ein „Klima der Angst“, ein „toxisches Arbeitsklima“und Verletzungen gegen das Arbeitsschutzgesetz durch ständige Anrufe und Mails außerhalb der Dienstzeit. Selbst Spitzenbeamte wie der zum Rhein-Kreis Neuss abgewanderte Rechtsamtsleiter Gregor Küpper blieb nicht verschont vom Mobbing. Etliche trauten sich, mit Namen an die Öffentlichkeit zu gehen, andere (noch) nicht.
Martin Mertens hat sich gestern in einer Videobotschaft geäußert. Darin sagt er, dass ihn die „vielen Offenbarungen“und etliche Gespräche haben „nachdenklich“werden lassen. Er habe sein Verhalten gegenüber Einzelnen hinterfragt und bewertet „vieles kritisch“Es gebe nichts zu beschönigen und zu relativieren. Er habe „häufig nicht das nötige Feingefühl und Augenmaß „im, Umgang mit Mitarbeitenden gehabt und spricht von einem Fehler“. Er müsse „sorgsamer und bedachter“im Umgang mit Mitarbeitenden sein. Diese seien schließlich die „Grundpfeiler der Verwaltung“.
Wie reagiert eigentlich die SPD angesichts der massiven Vorwürfe gegen „ihren“Bürgermeister? Sie kritisiert in einer Pressemitteilung zunächst einmal die Veröffentlichungen der massiven Vorwürfe als „Umgehung der dafür zuständigen politischen Beratungs- und Entscheidungsgremien“. Um zu einer „sachlichen und fairen Auseinandersetzung mit der Sachlage zurückzukehren und in eine gemeinsame Beratung zu notwendigen Maßnahmen zu kommen“, schreibt Fraktionsvorsitzende Annette Greiner, „bitten wir die Verwaltung, zu dem aktuellen Stand der Analyse der Situation auszuführen und über geplante Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsklimas zu berichten.“Auf dieser Grundlage könne dann im Personalausschuss eine „gemeinsame Einschätzung und Bewertung von Verbesserungsmöglichkeiten vorgenommen werden und entsprechende Beschlüsse zur Unterstützung der Verwaltungsarbeit vorbereitet werden.“