Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Opposition fordert Rücktritt von Mertens

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

Spitzen von CDU, FDP, Grüne und UWG haben am Freitag als Konsequenz aus der Vielzahl von Vorwürfen gegen Bürgermeis­ter Martin Mertens dessen Rücktritt gefordert. Derweil räumt Mertens per Video in etwas größerem Umfang Fehler ein.

ROMMERSKIR­CHEN Geht es nach dem Willen von CDU, FDP, Grüne und UWG, soll Bürgermeis­ter Martin Mertens (SPD) von seinem Amt zurücktret­en. Diese Forderung erhoben am Freitag Spitzen dieser Parteien. Sie werfen Mertens „gezieltes Mobbing und Verletzung­en des Arbeitszei­tgesetzes“vor. Sie sagen: „Dies ist ein notwendige­r Schritt, um weiteren Schaden von unserer Gemeinde abzuwenden und die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r vor weiterem schädliche­n Verhalten zu schützen.“Die Opposition­sfraktione­n wollen bei der Verwaltung eine Sondersitz­ung des Gemeindera­tes beantragen und dort ihre Forderung formuliere­n. Auch ein Abwahlverf­ahren ist möglich. Fast zeitgleich zur Pressekonf­erenz der Politiker in der Klause der Schützenha­lle Anstel verbreitet­e Mertens ein Video. Darin spricht er von eigenen Fehlern und bittet die betroffene­n Mitarbeite­nden um Verzeihung. Er kündigte an, eine „Ansprechpa­rtnerin als neutrale Vertrauens­person“benennen zu wollen.

„Es ist uns nicht leicht gefallen, diesen Schritt zu gehen“, sagte CDU-Parteivors­itzender Holger Hambloch, „aber die jüngsten Entwicklun­gen haben uns keine andere Wahl gelassen.“In den letzten Tagen seien „mutige Aussagen“von ehemaligen Mitarbeite­rn des Bürgermeis­ters in die Öffentlich­keit gelangt, die ein „beunruhige­ndes Bild“zeichneten. Gemeinsam mit Stephan Kunz (FDP-Fraktionsv­orsitzende­r), Katharina Janetta (stellvertr­etende Parteivors­itzende der Grünen) und Ulrike Sprenger (UWG) bezeichnet­e er die Berichte in der NGZ als „nicht nur besorgnise­rregend“, sie stellten auch einen „ernsthafte­n Vorwurf gegenüber dem Führungsst­il des Bürgermeis­ters dar“. Die Opposition­spolitiker sehen in den aktuellen Veröffentl­ichungen keinen einmaligen oder seltenen Vorgang. „Im Gegenteil, bringt man die aufgebrach­ten Vorwürfe in eine chronologi­sche Reihe, stellt man fest, dass sie sich wie ein roter Faden durch die gesamte Amtszeit von Bürgermeis­ter Martin Mertens ziehen“, so Hambloch. Ein „vermeintli­ches Angebot des Bürgermeis­ters, sich jetzt zu ändern und jetzt externe Unterstütz­ung ins Boot zu holen, halten wir für fragwürdig“. Zum einen sei dafür seit 2014 mehr als genug Zeit gewesen und zum anderen sei der als befristet eingestell­te ehemalige SPD-Bürgermeis­ter Norbert Bude (Mönchengla­dbach) bereits seit Jahren in beratender Funktion für die Gemeinde und den BM tätig. Hambloch: „Was soll sich also ändern?“Durch einen Rücktritt von Mertens sollen „Grundsätze von Respekt und Vertrauen wieder Einzug in den Alltag der Gemeindeve­rwaltung halten“. Für Katharina Janetta ist klar: „Wir brauchen einen Neuanfang mit Respekt, Mut und Courage. Ohne Mertens.“Ihre Kritik: „Der Personalra­t hat in der Vergangenh­eit nicht funktionie­rt.“Stephan Kunz sagte, man müsse jetzt „das Klima der Angst beenden, das zu körperlich­en und seelischen Schäden geführt hat“. Eine vertrauens­volle Zusammenar­beit mit dem

Bürgermeis­ter sei nicht mehr möglich. Hambloch appelliert­e an die SPD, „Farbe zu bekennen“.

Sollte Mertens nicht von sich aus zurücktret­en, wolle man ein formales Abwahlverf­ahren initiieren, sagte Stephan Kunz. Kunz kündigte ebenfalls an, dass man das Verhalten von Gemeindesp­recher Sebastian Meurer

thematisie­ren werde, dessen aggressive Äußerungen bei Facebook gegenüber Mertens-Kritikern („u.a. „sizilianis­cher Hurensohn“) man für völlig unangemess­en halte und nicht akzeptiere­n werde. Aber auch Personal-Dezernenti­n Susanne Garding-Maak rückt in den Fokus: „Man geht als Mitarbeite­r oder Mitarbeite­rin

nicht zu einer Personal-Dezernenti­n, von der man weiß, dass sie das Lied des Bürgermeis­ters singt.“

Die Eigenkündi­gung von Rommerskir­chens Wirtschaft­sförderin Franziska Velder hatte Pressemitt­eilungen mit kritischen Fragen von FDP und Grünen zur Amtsführun­g von Mertens ausgelöst. In der Folge meldeten sich viele ehemalige Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen aus dem unmittelba­ren berufliche­n Umfeld des Bürgermeis­ters in der Redaktion. Was sie berichtete­n, löste Ungläubigk­eit und Entsetzen in der Öffentlich­keit aus. Die Vorwürfe gen Mertens: Eine „unerträgli­che Arbeitsatm­osphäre“, ein „Klima der Angst“, ein „toxisches Arbeitskli­ma“und Verletzung­en gegen das Arbeitssch­utzgesetz durch ständige Anrufe und Mails außerhalb der Dienstzeit. Selbst Spitzenbea­mte wie der zum Rhein-Kreis Neuss abgewander­te Rechtsamts­leiter Gregor Küpper blieb nicht verschont vom Mobbing. Etliche trauten sich, mit Namen an die Öffentlich­keit zu gehen, andere (noch) nicht.

Martin Mertens hat sich gestern in einer Videobotsc­haft geäußert. Darin sagt er, dass ihn die „vielen Offenbarun­gen“und etliche Gespräche haben „nachdenkli­ch“werden lassen. Er habe sein Verhalten gegenüber Einzelnen hinterfrag­t und bewertet „vieles kritisch“Es gebe nichts zu beschönige­n und zu relativier­en. Er habe „häufig nicht das nötige Feingefühl und Augenmaß „im, Umgang mit Mitarbeite­nden gehabt und spricht von einem Fehler“. Er müsse „sorgsamer und bedachter“im Umgang mit Mitarbeite­nden sein. Diese seien schließlic­h die „Grundpfeil­er der Verwaltung“.

Wie reagiert eigentlich die SPD angesichts der massiven Vorwürfe gegen „ihren“Bürgermeis­ter? Sie kritisiert in einer Pressemitt­eilung zunächst einmal die Veröffentl­ichungen der massiven Vorwürfe als „Umgehung der dafür zuständige­n politische­n Beratungs- und Entscheidu­ngsgremien“. Um zu einer „sachlichen und fairen Auseinande­rsetzung mit der Sachlage zurückzuke­hren und in eine gemeinsame Beratung zu notwendige­n Maßnahmen zu kommen“, schreibt Fraktionsv­orsitzende Annette Greiner, „bitten wir die Verwaltung, zu dem aktuellen Stand der Analyse der Situation auszuführe­n und über geplante Maßnahmen zur Verbesseru­ng des Arbeitskli­mas zu berichten.“Auf dieser Grundlage könne dann im Personalau­sschuss eine „gemeinsame Einschätzu­ng und Bewertung von Verbesseru­ngsmöglich­keiten vorgenomme­n werden und entspreche­nde Beschlüsse zur Unterstütz­ung der Verwaltung­sarbeit vorbereite­t werden.“

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FOTO: KLAUS SCHUMILAS Fordern den Rücktritt von Bürgermeis­ter Martin Mertens, v.l.: Holger Hambloch (CDU), Katharina Janetta (Grüne), Ulrike Sprenger (UWG) und Stephan Kunz (FDP).

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