Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
EU-Botschafter einigen sich auf Sicherheitszusagen für Ukraine
BRÜSSEL Elf Seiten zählt der Entwurf von europäischen Sicherheitszusagen für die Ukraine, auf den sich die EU-Botschafter in Brüssel geeinigt haben – mit der Erwartung, dass die Konsultationen mit der ukrainischen Regierung so zügig zu einem gemeinsamen Papier führen können, dass Anfang Juli die Selbstverpflichtung der EU in Kraft treten kann. Damit wird zugleich klar, dass hinter den Kulissen viele Staaten daran arbeiten, dass der Friedensgipfel Mitte Juni in der Schweiz ein Erfolg werden kann. Zwar nehmen keine Vertreter Russlands daran teil, für ein ukrainisches Einlenken gibt es aber eine entscheidende Bedingung: die Garantie, auch bei anhaltender und künftiger russischer Aggression so viel internationale Unterstützung zu erhalten, dass die Ukraine ihr Recht auf eine Existenz in gesicherten Grenzen durchsetzen kann.
Nach einem Grundsatzversprechen der G7-Staaten vom vergangenen Sommer haben inzwischen sieben EU-Mitglieder der Ukraine in bilateralen Vereinbarungen Sicherheitszusagen gegeben, darunter Deutschland im Februar in Berlin. Die Vereinbarung wurde „unmittelbar nach ihrer Unterzeichnung wirksam“. Doch die anhaltende Weigerung von Bundeskanzler Olaf Scholz, der Ukraine die dringend gewünschten Taurus-Marschflugkörper zu liefern, belegt deutlich, was die deutsche vertragliche Selbstverpflichtung wert ist, wonach „modernes militärisches Gerät je nach Bedarf in allen Bereichen“zur Verfügung gestellt werden soll, und zwar „rasch“. Sicherheitshalber hatte das Kanzleramt diese Passage mit mehreren Relativierungen versehen, rechtliche und verfassungsrechtliche Voraussetzungen, Völkerrecht, europäisches Recht und einen „angemessenen Rahmen“hinzugestellt. Im EU-Entwurf heißt es nun ganz ähnlich wie in den Berliner
Sicherheitszusagen: „Im Falle einer künftigen Aggression beabsichtigen die EU und die Ukraine, sich innerhalb von 24 Stunden zu konsultieren über die Bedürfnisse der Ukraine, die ihr Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta ausübt.“Von einer Beistandspflicht für die Ukraine sind diese Formulierungen so weit entfernt wie Putin von einem Befehl zum Rückzug.
Zudem steht eine Passage zur Kooperation bei künftigen Angriffen auf tönernen Füßen, solange die Gefahr besteht, dass es die Ukraine als souveränen Staat gar nicht mehr gibt, sollte die jüngste Bodenoffensive der russischen Streitkräfte so erfolgreich sein, dass sie die Front insgesamt aufzubrechen vermögen. Schon erobern die Russen so viel Terrain pro Tag wie seit Beginn des Angriffskrieges nicht mehr. Das hat auch damit zu tun, dass zurückliegende Zusagen der EU – wie etwa zur Lieferung von Artilleriemunition – nicht erfüllt wurden und die US-Hilfe über Monate stockte.
Die Ukraine hat gelernt, sich auf Sicherheitsgarantien Russlands nicht verlassen zu können. Für die Abgabe der Atomwaffen an Russland verpflichtete sich der Kreml 1994 im Gegenzug, die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu achten. Auch die USA und Großbritannien unterschrieben dieses Budapester Memorandum. Allerdings war es nicht mit konkreten Zusicherungen unterlegt, sondern nur mit der Verpflichtung, bei Konflikten zu beraten und den Sicherheitsrat einzuberufen. Weder die Annexion der Krim noch die Destabilisierung der Ostukraine oder den Großangriff auf die Ukraine konnte die Vereinbarung verhindern. Kürzlich erinnerte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba an rund 200 Verhandlungsrunden seit 2014 mit Russland, die zu 20 Abkommen geführt hätten – ohne dass eines den Schutz der Ukraine habe bewirken können.
Von einer Beistandspflicht für die Ukraine sind die Formulierungen weit entfernt