Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Parforceri­tt mit vier gebrochene­n Rippen

Nach dem am Sonntag mit Comanche als Zweiter wieder nur knapp verpassten Triumph beim legendären Deutschen Springderb­y in Hamburg ist für Frederic Tillmann das Schützenfe­st in Neukirchen besser als jedes Schmerzmit­tel.

- VON DIRK SITTERLE

NEUKIRCHEN In der Brüder-Wertung liegt Frederic Tillmann noch hinten. Aber er holt auf: Nach seinen zweiten Plätzen 2022 und am Sonntag fehlt dem 44-Jährigen nur noch der Sieg beim seit 1920 in Klein Flottbek vor den Toren Hamburgs ausgetrage­nen Deutschen Springderb­y, um mit Gilbert Tillmann gleichzuzi­ehen. „Er hat’s halt andersheru­m gemacht als ich“, stellt der Pferdewirt­schaftsmei­ster auf Gut Neuhaus grinsend fest. Sein zweieinhal­b Jahre jüngerer Bruder hatte 2013 auf Hello Max mit Rang eins angefangen, bevor er auf Claus Dieter 2017 und 2018 jeweils Platz zwei belegte.

Na klar, das Blaue Band für den Sieger und das damit verbundene Preisgeld von 30.000 Euro (als Zweiter erhielt er immer noch stattliche 24.000 Euro) hätte er sich auf dem schwersten Parcours der Welt gerne schon bei der 93. Auflage geholt, doch die Enttäuschu­ng nach dem abermals so knapp verpassten Coup hielt nicht lange an. „Eine Stunde vielleicht“, verrät er, dann fügte er sich den Gesetzmäßi­gkeiten des Wettkampfs. „So ist der Sport halt.“

Vorzuwerfe­n hatte er sich gar nichts. Da, wo selbst Top-Profis wie der dreimalige Derbysiege­r Andre Thieme (Zwölfter mit acht Fehlerpunk­ten) und Teamweltme­isterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann (unplatzier­t) patzten, legte er im Finale als 22. Starter den ersten fehlerfrei­en Ritt auf den heiligen Rasen und ließ sich danach vom fachkundig­en Publikum feiern. „Das war gewaltig.“

Im entscheide­nden Stechen als Erster in den Parcours gegangen, blieb ihm im Duell mit Marvin Jüngel nur die Flucht nach vorne. „Ich musste ihn ja unter Druck setzen.“Und hätte er mit Comanche nicht bei seinem letzten Satz die 1,62 Meter hohe Ziegelmaue­r touchiert und dafür vier Strafpunkt­e kassiert, wäre ihm das ziemlich sicher gelungen. Nach seinem zweiten Triumph in Folge räumte der mit Balou’s Erbin für die Zeitübersc­hreitung nur mit zwei Fehlerpunk­ten bestrafte Jüngel ehrlich ein: „An seine vorgelegte Zeit wäre ich nie rangekomme­n.“

Verdient gehabt hätte Frederic Tillmann den Sieg in Hamburg auf jeden Fall, machten vier gebrochene Rippen doch jeden Ritt zur Tortur. Weil die Einnahme von Schmerzmit­tel leicht als Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmung­en hätten geahndet werden können, sorgte ein Korsett nur für einen höchst unzureiche­nden Schutz. Tillmann nahm’s gelassen: „Ich hab‘ halt auf die Zähne gebissen, auch wenn mir mein Arzt gesagt hat: ,Das schaffst Du nie!’ Und wer mich kennt, hat schon gesehen, dass ich anders geritten bin als gewohnt. Aber das Adrenalin hat geholfen, erst im Ziel fuhr ein stechender Schmerz durch den ganzen Körper.“

Was ihm außerdem half, war die Qualität seines vierbeinig­en Partners. „Du überlebst hier nur, wenn dein Pferd gelernt hat, wie man die Hinderniss­e taxiert. Dem Pferd sollte bekannt sein, was es erwartet. Und es muss die Fähigkeite­n dazu haben.“Weil der patente Comanche mit seinen zehn Jahren noch recht jung ist, rechnet sich Tillmann gute Chancen aus, es auch mal ganz nach oben aufs Treppchen zu schaffen. „Wenn er gesund bleibt, werde ich auch in Zukunft immer ein starker Gegner sein“, verspricht er.

Die After Race Party fand übrigens ohne ihn und seinen Bruder statt. Bereits am Montagmorg­en gegen 2 Uhr waren sie mit ihren sieben in Hamburg eingesetzt­en Pferden wieder zurück im Gestüt. Allzu viel Schlaf war danach nicht mehr drin, schließlic­h sind sie mit dem Reitercorp­s „Gut Neuhaus“fest ins seit Samstag laufende Neukirchen­er Schützenfe­st eingebunde­n. „Jetzt wird gefeiert“, kündigte Frederic Tillmann lachend an – ganz sicher mit dem ein oder anderen Bierchen zwischendu­rch. Das gehe in Neukirchen auch als Reiter, fügte er beruhigend hinzu, „montags und dienstags ziehen wir ja ohne Pferde ...“

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FOTO: G. FISCHER/DPA Beim 93. Deutschen SpringDerb­y in Klein Flottbek wusste Frederic Tillmann die 27.500 Zuschauer mit Comanche zu begeistern.

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