Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Von Beat-Musik und Michelin-Sternen
Auch wenn sie heute übersichtlich ist: Grevenbroichs Kneipenlandschaft war vor Jahrzehnten überaus vielfältig. Heimatforscher Manfred Ganschinietz hat die Geschichte von mehr als zwei Dutzend Gaststätten und Hotelbetrieben aufgeschrieben und der Nachwelt erhalten.
GREVENBROICH Gaststätten haben Tradition in Grevenbroich – obwohl: Ganz so viele waren es anfangs nicht. Als Landrat Caspar von Heinsberg seine „Statistische Darstellung des Kreises Grevenbroich für die Jahre 1859 bis 1861“veröffentlichte, gab es gerade einmal drei Wirte in der Stadt, die von zwei Kellnern unterstützt wurden. Das sollte sich in den nächsten Jahrzehnten aber schlagartig ändern. So erwähnte der „Verwaltungsbericht 1925“für Grevenbroich schon insgesamt 30 Gast- und Schankwirtschaften, fünf Cafés sowie neun Geschäfte zum Verkauf von Likör und anderen geistigen Getränken. Die Stadt wurde größer, und der Durst der Bürger musste gestillt werden.
Apropos: Bis in die 1870er Jahre konnte das Bier nur von örtlichen Brauereien bezogen werden, da der Transport über größere Entfernungen hinweg nicht möglich war – denn die Kühltechnik war bis dahin noch nicht ausgereift. Als Zentrum der lokalen Biererzeugung galt Hemmerden, wo mit den Brauereien von Wilhelm Schnitzler und der Rheinischen Brauhaus AG gleich zwei große und leistungsfähige Betriebe existierten. Insgesamt gab es in den 1860er und 1870er Jahren nicht weniger als 25 Betriebe im heutigen Stadtgebiet, in denen kühles Helles produziert wurde.
Wo der Gerstensaft einst genossen wurde, hat der Grevenbroicher Manfred Ganschinietz in seinem 2007 von Dieter Kaltz herausgegebenen und heute noch erhältlichen Band „Grevenbroicher Gaststätten in alter Zeit“aufgeschrieben. Der Heimatforscher hat in der Geschichte von mehr als zwei Dutzend Gasthäusern recherchiert und sie mit zahlreichen Anekdoten gewürzt.
Hotel Zur Traube Das an der Bahnstraße 47 liegende, sich heute in Privatbesitz befindende Hotel Zur Traube zählt nicht nur zu den ältesten Gasthäusern der Stadt, sondern wurde auch – dank der Künste von Sterne-Koch Dieter L. Kaufmann – zu den besten Restaurants des Landes gezählt. Die Anfänge des Hauses gehen auf Gustav Lersch zurück, der bereits 1883 zusammen mit Anton Borrenkott,
Hubert Lichtschlag und
Wihelm Schmitz zum
Kreis der vier Grevenbroicher Hotelbesitzer zählte. Schon 1910 wurde das Haus im „Blauen
Michelin“lobend erwähnt und überregional bekannt. Die MichelinSterne hatten damals allerdings noch eine andere Bedeutung. Sie zeigten den Chauffeuren an, in welchen Hotels es eine Arbeitsgrube für die Autos gab.
Bahnhofsgaststätte Im Rahmen des Ausbaus der Strecke Grevenbroich-Köln erhielt die Stadt ein neues Bahnhofsgebäude, das Anfang 1901 eröffnet wurde. Um den Reisenden den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, enthielt die Bahnhofswirtschaft im neuen Empfangsgebäude vornehm ausgestattete Warteräume und sogar ein Sonderzimmer für Damen. Nachdem der Bahnhof im Januar 1945 durch einen Bombenangriff vollständig zerstört wurde, sollten sechs Jahre ins Land gehen, bevor das Bahnhofsgebäude 1951 weitgehend wiederhergestellt war. Neuer Pächter wurde Johann Sonderfeld, der 1959 auf der gegenüberliegenden Seite das „Hotel Sonderfeld“eröffnete. Heute lädt das „Didi’s“zum Verweilen im Bahnhof ein.
Haus Bienefeld Zu den legendären Kneipen der Innenstadt zählt das Haus Bienefeld, dessen Ursprünge im ausgehenden 19. Jahrhundert liegen. Das einst mit Biergarten und Tanzsaal ausgerüstete Lokal wurde um 1896 von einem Konditor namens Franz Flüchten eröffnet, der es später an die Familie Bienefeld verkaufte. In den frühen 1960er Jahren wurde das „Haus Bienefeld“zu einem Musik-Café ausgebaut, in der die Grevenbroicher Band „Mods“ihre Fans begeisterte. Bis in die 80er Jahre hinein blieb die Gaststätte ein beliebter Treffpunkt für junge Leute. Heute ist von ihr nur noch die Fassade zu sehen.
Hotel Borrenkott Wo sich heute an der Ercke Bahn-/Erckensstraße das ehemalige Finanzamt befindet, errichtete Anton Borrenkott 1886 eine Restauration, die zehn Jahre später von Josef Borrenkott um ein Hotel erweitert wurde. Das „Hotel Borrenkott“stand auf einem imposanten Areal, das sich mit seinen (Bier-) Gartenanlagen bis zur Erftbrücke
Buch Das Buch „Grevenbroicher Gaststätten in alter Zeit“wurde von Manfred Ganschinietz geschrieben. Herausgeber war der Drucker und Verleger Dieter Kaltz. Erschienen ist der mehr als 190 Seiten umfassende Band 2007 im Rahmen der Buchreihe „Beiträge zur Geschichte
erstreckte und damit auch die gesamte Fläche des heutigen Restaurants „El Toro“umfasste. Die besonderen Vorzüge des Hauses wurden auch in der Werbung angepriesen: „Hotel und Restaurant, der Neuzeit entsprechend eingerichtet, Hausdiener am Bahnhof“.
Deutsches Eck Auch die Gaststätte „Deutsches Eck“kann auf eine mittlerweile 145-jährige Tradition zurückblicken. Eröffnet wurde sie 1879 von Peter Mobis, der später neben dem Lokal auch noch einen Kohlenhandel betrieb. Mobis‘ Sohn Peter betrieb im gleichen Hause eine Metzgerei. Ab 2006 wurde das Lokal unter dem Namen „Anno II“geführt, bevor Frank Brocker 2015 den Zapfhahn übernahm und seitdem zum fröhlichen Zechen „Op de Eck“einlädt.
Restauration Krüppel Das Gebäude des heutigen Restaurants „Graf Kessel“an der Bahnstraße ist schon seit mehr als 150 Jahren ein Restaurationsbetrieb. Erst bekannt
der Stadt Grevenbroich“des Geschichtsvereins.
Erhältlich Das Buch, das mehr als zwei Dutzend Gaststätten beschreibt, ist auch heute noch erhältlich. Interessierte wenden sich an Dieter Kaltz, der seinen Betrieb an der Schlossstraße 20 hat.
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unter den Namen „Krüppel“, „Krüppels Lies“und „Krüppels Käth“, später auch als „Topas“, „Bei Alfred“, „Snoopy“, „Downtown“und „Café Denizli“bezeichnet, sind dort viele Generationen eingekehrt. Gebaut wurde das Haus im Jahr 1873 von Conrad und Anna Maria Blank, Vorfahren der Metzgerei Blank an der Kölner Straße.
Rheinischer Hof An der Bahnstraße, wo sich heute die Deutsche Bank befindet, stand der Rheinische Hof, der über eine große Gartenanlage verfügte, die sich bis auf das Gelände der heutigen Christuskirche erstreckte. Die Ursprünge dieser Restauration lagen in den 1850er Jahren, als Johann Wilhelm Raeven in unmittelbarer Erftnähe seine Wirtschaft „Zum Wassersack“eröffnete. Um 1892 ging das Lokal auf Heinrich Hardy über, der das Haus in „Hotel Hardy“umbenannte, einen großen Saal anbaute und den riesigen Garten zum Schützenpark umgestaltete. Um 1900 erhielt das Restaurant den Namen „Rheinischer Hof“– und war weiterhin Schauplatz saisonbedingter Events. Bei einem Bombenangriff im Februar 1945 kam es zum gewaltsamen Ende dieses traditionsreichen Hauses.
Haus Portz Schon 1897, als der Neubau der City-Pfarrkirche begann, wurde an der Ecke Breite Straße/Marktplatz ein imposantes Gebäude errichtet, das seit jeher nur als Haus Portz bekannt ist und heute unter Denkmalschutz steht. Zunächst betrieb Albert Portz dort eine Bäckerei, sein Sohn Josef dehnte das Geschäft auf eine Gaststätte aus, für die er am 14. Oktober 1905 eine Schankerlaubnis erhielt. Die Restauration stellte für Grevenbroich eine Neuheit dar: Denn Portz schenkte nicht nur Bier, sondern auch Wein und Kaffee aus. Die beiden Schwestern Finny und Maria Portz betrieben die Gaststätte bis zu ihrer Schließung im März 1974. Danach beherbergte Haus Portz mehrere Dienststellen der Stadtverwaltung, bis der Rat im September
1990 den Beschluss fasste, die Gaststätte langfristig an die Brauerei Frankenheim zu verpachten.
Schlossgaststätte Auch wenn die Stadt in jüngster Zeit eine PächterPleite nach der anderen erlebte – ein Restaurant im Grevenbroicher Wahrzeichen hat Tradition. Die erste Wirtschaft an historischer Stätte wurde bereits um 1840 erwähnt. Betrieben wurde sie von Johann Ignaz Esser, einem engagierten Mann, der sich als Gemeinderat für die Interessen seiner Mitbürger einsetzte. Das Restaurant und das dazu gehörende Wäldchen – der sogenannte Schlossbusch – waren viele Jahrzehnte lang beliebte Treffpunkte des Bürgerschützenvereins. In der Schlossgaststätte erlebte auch Carl Nix – der letzte Nachtwächter von Grevenbroich – einen unvergesslichen Abend: Der Heimatmaler Carl Oberbach und dessen Freunde organisierten das, was die Behörden verpennt hatten: Sie verabschiedeten Nix im Juni 1909 mit einer rauschenden Feier in den Ruhestand.