Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Doch kein großes Coming-out im Fußball?
Mit Spannung wird auf die Aktion an diesem Freitag geschaut. Initiator Marcus Urban dämpft die Erwartungen.
BERLIN (sid) Immer noch gilt es als das große Tabuthema im Profifußball der Männer, die Aufregung vor wenigen Monaten war deshalb umso größer – nun rückt der Tag des angekündigten Gruppen-Coming-outs immer näher. Mit Spannung blickt alles dem 17. Mai entgegen: Doch der Initiator Marcus Urban dämpft die Erwartungen. „Aktive Profifußballer halten sich noch zurück“, gab Urban in einem Interview mit dem Magazin „Stern“zu und räumte auf Nachfrage ein, selbst keinen direkten Kontakt zu schwulen Profis zu haben: „Die Kommunikation läuft über Kontaktleute. Die Spieler sind extrem vorsichtig. Keiner traut sich aus der Deckung.“Es herrsche „höchste Vorsicht“.
Also doch kein Gruppen-Comingout? Im vergangenen November hatte Urbans Ankündigung noch für große Schlagzeilen gesorgt. „Wir sind viele“, hatte er der „Bild damals gesagt und für die Aktion den 17. Mai, den internationalen Tag gegen Homophobie, ins Auge gefasst. Die Erwartung damals: Mehrere Profis könnten sich im Rahmen der
„Sports-Free“-Kampagne outen.
Doch nun rudert der 53-Jährige zurück. Was am 17. Mai vorbereitet werde, wisse man „nicht ganz genau“. Natürlich bestehe Kontakt zu Menschen aus dem Sport europaweit, „viele organisieren es aber persönlich für sich. Wir werden uns selbst überraschen lassen müssen“, sagte Urban.
Der 17. Mai solle „ein Anfang sein, ein erstes Angebot an Spieler und Funktionäre, sich zu outen, oder besser: sich zu positionieren“, erklärte Urban im „Stern“. Er sei nicht auf diesen einen Tag fixiert, vielmehr wolle er mit der Kampagne „einen Rahmen schaffen, der es den Profis leichter macht“.
Darauf hofft auch die Fan-Organisation „Unsere Kurve“, in deren Augen das Vorhaben „begrüßenswert“sei. Doch es gibt auch Kritik. „Leider wurde kein größeres Bündnis geschaffen. Ich hätte mir gewünscht, dass Initiativen, die bereits vorangegangen sind, miteingebunden werden“, sagte Christian Rudolph, Leiter der Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
beim Deutschen Fußball-Bund, dem Sportinformationsdienst. Dennoch trage auch die mediale Aufmerksamkeit dazu bei, „dass die Situation verstanden“werde.
Auch Thomas Hitzlsperger erklärte im Tagesspielgel: „Egal, welche Dimension das hat: Es wird neue Geschichten geben von Akteuren aus dem Profifußball, welche die Debatte voranbringen können.“Seine eigene Geschichte hatte der Ex-Nationalspieler 2014 öffentlich gemacht und sich nach seiner Profikarriere
geoutet. Auf der Kampagnen-Homepage wird auch sein Lebensweg beschrieben, ebenso wie der von anderen bereits offen homosexueller Personen aus dem Profisport. Doch noch immer hat sich kein aktiver Profi in Deutschland geoutet, auch international gibt es wenige Beispiele. Eines ist der tschechische Nationalspieler Jakub Jankto, der im vergangenen Jahr über seine Homosexualität gesprochen hatte.
Noch immer sei es „ein riesiges Versteckspiel. Die schwulen Profis führen Doppelleben, manche haben Scheinfreundinnen und treffen sich nur im Geheimen mit anderen Männern“, sagte Urban im „Stern“-Interview. Die Sorgen vor den Folgen sind offenbar noch immer groß. „Viele Spieler haben den Glaubenssatz verinnerlicht, dass sie nach einem Coming-out in Ungnade fallen würden in der Branche“, sagte Urban. Seine Kampagne sieht er als Erfolg. Neben der medialen Aufmerksamkeit stünden auch viele Klubs wie Borussia Dortmund oder der FC St. Pauli hinter der Kampagne.