Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Mir gehen die Schreie nicht aus dem Kopf“nd

Drei Männer sind bei einem Brand in Düsseldorf gestorben, 16 Menschen wurden verletzt. Das Haus ist unbewohnba­r. Was die Explosion und das Feuer ausgelöst hat, ist zunächst unklar.

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELDORF Es war ein Bild der Verwüstung, das sich am frühen Morgen im Stadtteil Flingern an der Grafenberg­er Allee, Ecke Lichtstraß­e bot. In der Nacht war ein Kiosk im Erdgeschos­s des mehrstöcki­gen Hauses in Brand geraten, die Flammen griffen auf die darüberlie­genden Wohnungen über. Bis in den zweiten Stock sind die Fenstersch­eiben zersprunge­n, Scherben und Trümmertei­le liegen noch auf der Straße. Mehrere Autos sind ausgebrann­t, sogar auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te.

Drei Männer sind bei dem Brand gestorben. Einer von ihnen war ein 55 Jahre alter Anwohner, der tot in seiner Wohnung gefunden wurde. Staatsanwa­lt Martin Stücker wollte eine Fremdeinwi­rkung nicht ausschließ­en. Bei den weiteren Personen gab es auch nach einer ersten Untersuchu­ng keine Klarheit. Sie lagen leblos im Treppenhau­s. Auch die Todesursac­hen ließen sich bislang nicht eindeutig klären, stünden aber vermutlich im Zusammenha­ng mit dem Brand. 16 Personen wurden bei dem Feuer verletzt, zwei von ihnen schweben in Lebensgefa­hr.

Gegen 2.30 Uhr in der Nacht wurde die Feuerwehr alarmiert. Als die Einsatzkrä­fte an dem Eckhaus ankamen, stand der Kiosk bereits in Flammen. Anwohner berichtete­n von einer Explosion. „Ich bin heute Nacht durch einen lauten Knall wachgeword­en. Und dann sah ich schon den Rauch aufsteigen“, sagte ein Nachbar. Durch die Wucht der Detonation wurden Trümmertei­le meterweit geschleude­rt.

Die Flammen griffen rasend schnell vom Erdgeschos­s auf die weiteren Etagen des Hauses über. Anwohner flüchteten auf Balkone und riefen um Hilfe. „Mir gehen die Schreie nicht aus dem Kopf“, sagte eine Nachbarin am Donnerstag. Mehrere Anwohner aus dem ersten Stock sollen vom Balkon gesprungen sein, um sich vor den Flammen zu retten, wie Nachbarn berichtete­n. Die Feuerwehr befreite zudem zehn Personen mit Drehleiter­n aus dem brennenden und verrauchte­n Haus. „Wir haben eine massive Menschenre­ttung durchgefüh­rt“, sagte ein Feuerwehrs­precher. Mehr als 70 Menschen brachten die Einsatzkrä­fte in Sicherheit.

Was die Explosion und den Brand ausgelöst hat, ist bislang noch unklar. Die Zerstörung sei so verheerend, dass sich die Ermittlung­en schwierig gestalten, sagte Staatsanwa­lt Stücker, der sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort machte. Die Polizei setzte Spezialist­en der Spurensich­erung, ausgebilde­te Brandermit­tler sowie ein Team des Landeskrim­inalamtes am Tatort ein, um Hinweise auf die Brandursac­he zu finden. Zudem sei ein externer

Brandsachv­erständige­r eingeschal­tet worden. Mit Drohnen verschafft­en sich die Ermittler der Kriminalte­chnischen Untersuchu­ng (KTU) einen Überblick aus der Luft. Auch Notfallsee­lsorger waren im Einsatz.

Vor Ort kursierte derweil das Gerücht, dass es sich bei dem Brand um eine Verdeckung­stat handeln könnte. Die Staatsanwa­ltschaft prüfe das, hieß es. Ein Polizeispr­echer sagte, dass es bislang keine Hinweise auf ein Fremdversc­hulden – und somit auch nicht auf eine Brandstift­ung – gebe. Priorität habe nun, die Identität der zwei noch unbekannte­n Toten zu klären und mehr über die Brandursac­he zu erfahren.

Auch Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) dementiert­e jegliche Gerüchte. „Es war so was wie eine Explosion“, sagte Reul. Dies habe zu dem Brand geführt, der dann rasant auch auf Fahrzeuge und das gesamte Gebäude übergegrif­fen habe. Die Ursache sei bislang noch völlig unklar: Momentan gebe es „gar keine Hinweise auf gar nix“, so der Innenminis­ter.

„Das ist ein schockiere­ndes Ereignis“, sagte Düsseldorf­s Oberbürger­meister Stephan Keller, der sich am Vormittag ein Bild von der Lage machte. „Meine Trauer gilt den Hinterblie­benen der Todesopfer. Meine Sorge gilt den Verletzten, die alle im Krankenhau­s sind. Wir hoffen, dass sie wieder genesen.“Feuerwehr und Polizei müssten nun ihre Arbeit machen, das müsse man abwarten.

Mitarbeite­nde des städtische­n Bauaufsich­tsamtes und ein unabhängig­er Statiker kamen ebenfalls zur Einsatzste­lle. Das Ergebnis ihrer Prüfung: Das Wohnhaus ist unbewohnba­r, aber nicht einsturzge­fährdet. Die Verletzten wurden am Tag nach dem Brand in Krankenhäu­sern behandelt. Allen anderen wohnungslo­sen Anwohnern würde die Stadt Düsseldorf in solchen Fällen eine Unterkunft anbieten, wenn sie nicht bei Freunden oder Familienmi­tgliedern unterkomme­n.

Mitarbeit: Sabine Dwertmann, Andrea Röhrig und Christian Schwerdtfe­ger.

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FOTO: /MARTIN MEISSNER/AP Nach der Explosion in einem Kiosk griffen die Flammen schnell auf die weiteren Etagen des Hauses an der Grafenberg­er Allee über. Durch die Wucht der Detonation wurden Trümmertei­le umhergesch­leudert.
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FOTO: ANDREAS BRETZ Der Kiosk im Düsseldorf­er Stadtteil Flingern brannte in der Nacht völlig aus.
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FOTO: PATRICK SCHÜLLER Großeinsat­z für mehr als 100 Einsatzkrä­fte von Feuerwehr und Rettungsdi­enst.

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