Nordwest-Zeitung

Verständni­s über Sonnensyst­em wird sich ändern

Ehemaliger wissenscha­ftlicher Leiter Gerhard Schwehm über die Erfolge des Projekts

- VON P;TRICK BUCK

FRAGE: Herr Schwehm, was überwiegt: Freude über den gelungenen Abschluss oder Wehmut darüber, dass die Mission unwiderruf­lich beendet ist? SCHWEHM: Für die Kollegen, die bis zuletzt jeden Tag hart daran gearbeitet haben, „Rosetta“um den Kometen zu steuern, war es natürlich ein emotionale­r und trauriger Abschied. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon im Ruhestand bin, aber bei mir überwiegen die Freude und der Stolz über den Erfolg. Wir habe mehr herausgeho­lt, als wir zu Beginn der Mission erwartet haben, und sehr, sehr viel Neues gelernt. FRAGE: Was sind die wichtigste­n Erkenntnis­se der gesamten Mission? SCHWEHM: Das erste war die Antwort auf die lange diskutiert­e Frage, ob die Kometen das Wasser auf die Erde gebracht haben, weil sie ja zum großen Teil aus Wassereis bestehen. Da konnten wir nachweisen, dass es Kometen der Sorte Tschurjumo­w-Gerassimen­ko sicher nicht gemacht haben. Der andere Aspekt ist, dass wir sehr viele hochkomple­xe organische Moleküle gefunden haben. Bei der Frage, ob die Kometen dazu beigetrage­n haben, dass das Leben auf unserem Planeten starten konnte, gibt es daher starke Hinweise dafür, dass sie wichtige Bausteine auf die Erde gebracht haben. Außerdem haben wir neue Erkenntnis­se zur Entstehung von Kometen und Planeten, die wir jetzt verarbeite­n müssen und sehen, wie sie mit unserem jetzigen Bild zusammenpa­ssen. Ich glaube, dass sich einiges an unserem Verständni­s, wie das Sonnensyst­em geschaffen wurde, ändern wird. FRAGE: Wie lange wird die „Rosetta“-Mission die Wissenscha­ft noch beschäftig­en? SCHWEHM: Es werden mit Sicherheit zehn Jahre ins Land gehen, bis die meisten Ergebnisse ausgewerte­t sind. Vor allem zu Beginn wird es drei, vier intensive und harte Jahre für die Mitarbeite­r geben, weil es einfach so viele Daten sind. Dann geht es darum, zu verstehen, was wir gefunden haben, ob es in unsere heutige Vorstellun­g passt und welche Dinge wir revidieren müssen. FRAGE: War der kontrollie­rte Absturz die beste Möglichkei­t für ein Ende der Mission? SCHWEHM: Wir haben vor Jahren schon verschiede­ne Szenarien durchgespi­elt. Eine andere Möglichkei­t wäre gewesen, „Rosetta“noch einmal in einen Winterschl­af zu versetzen, weil der Komet jetzt wieder in Entfernung­en zur Sonne kommt, bei denen nicht mehr genug Energie da ist, um die Instrument­e zu betreiben. Man muss allerdings sehen, dass die Sonde eine zwölfjähri­ge Reise hinter sich hat. So langsam waren wir am Ende der Lebenserwa­rtung. Außerdem gingen auch die Treibstoff­vorräte zur Neige. Es hätte also das Risiko bestanden, dass man eine Sonde hat, bei der Teile ausfallen. Daher wurde eine gute Entscheidu­ng getroffen. FRAGE: Welche Bedeutung hat die Mission für die europäisch­e Raumfahrt? SCHWEHM: Es war eine sehr herausford­ernde Mission, für die viele neue Technologi­en entwickelt werden mussten. Die Industrie hat diese Herausford­erung angenommen und sehr gut gelöst. Die Esa kann Stolz darauf sein, Europa hat da eine ganz tolle Leistung gebracht.

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