Verständnis über Sonnensystem wird sich ändern
Ehemaliger wissenschaftlicher Leiter Gerhard Schwehm über die Erfolge des Projekts
FRAGE: Herr Schwehm, was überwiegt: Freude über den gelungenen Abschluss oder Wehmut darüber, dass die Mission unwiderruflich beendet ist? SCHWEHM: Für die Kollegen, die bis zuletzt jeden Tag hart daran gearbeitet haben, „Rosetta“um den Kometen zu steuern, war es natürlich ein emotionaler und trauriger Abschied. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon im Ruhestand bin, aber bei mir überwiegen die Freude und der Stolz über den Erfolg. Wir habe mehr herausgeholt, als wir zu Beginn der Mission erwartet haben, und sehr, sehr viel Neues gelernt. FRAGE: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der gesamten Mission? SCHWEHM: Das erste war die Antwort auf die lange diskutierte Frage, ob die Kometen das Wasser auf die Erde gebracht haben, weil sie ja zum großen Teil aus Wassereis bestehen. Da konnten wir nachweisen, dass es Kometen der Sorte Tschurjumow-Gerassimenko sicher nicht gemacht haben. Der andere Aspekt ist, dass wir sehr viele hochkomplexe organische Moleküle gefunden haben. Bei der Frage, ob die Kometen dazu beigetragen haben, dass das Leben auf unserem Planeten starten konnte, gibt es daher starke Hinweise dafür, dass sie wichtige Bausteine auf die Erde gebracht haben. Außerdem haben wir neue Erkenntnisse zur Entstehung von Kometen und Planeten, die wir jetzt verarbeiten müssen und sehen, wie sie mit unserem jetzigen Bild zusammenpassen. Ich glaube, dass sich einiges an unserem Verständnis, wie das Sonnensystem geschaffen wurde, ändern wird. FRAGE: Wie lange wird die „Rosetta“-Mission die Wissenschaft noch beschäftigen? SCHWEHM: Es werden mit Sicherheit zehn Jahre ins Land gehen, bis die meisten Ergebnisse ausgewertet sind. Vor allem zu Beginn wird es drei, vier intensive und harte Jahre für die Mitarbeiter geben, weil es einfach so viele Daten sind. Dann geht es darum, zu verstehen, was wir gefunden haben, ob es in unsere heutige Vorstellung passt und welche Dinge wir revidieren müssen. FRAGE: War der kontrollierte Absturz die beste Möglichkeit für ein Ende der Mission? SCHWEHM: Wir haben vor Jahren schon verschiedene Szenarien durchgespielt. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, „Rosetta“noch einmal in einen Winterschlaf zu versetzen, weil der Komet jetzt wieder in Entfernungen zur Sonne kommt, bei denen nicht mehr genug Energie da ist, um die Instrumente zu betreiben. Man muss allerdings sehen, dass die Sonde eine zwölfjährige Reise hinter sich hat. So langsam waren wir am Ende der Lebenserwartung. Außerdem gingen auch die Treibstoffvorräte zur Neige. Es hätte also das Risiko bestanden, dass man eine Sonde hat, bei der Teile ausfallen. Daher wurde eine gute Entscheidung getroffen. FRAGE: Welche Bedeutung hat die Mission für die europäische Raumfahrt? SCHWEHM: Es war eine sehr herausfordernde Mission, für die viele neue Technologien entwickelt werden mussten. Die Industrie hat diese Herausforderung angenommen und sehr gut gelöst. Die Esa kann Stolz darauf sein, Europa hat da eine ganz tolle Leistung gebracht.