Nordwest-Zeitung

Wie sich Luthers Idee rasend schnell verbreiten konnte

Seine Kritik war nicht neu – Trotzdem löste sie einen beispiello­sen Umbruch aus

- VON CHRISTOPH ARENS

WITTENBERG – Die von Martin Luther ausgelöste Reformatio­n jährt sich 2017 zum 500. Mal. Doch was bedeutet dieser historisch­e Umbruch?

Was bedeutet der ? Begriff Reformatio­n

Als Reformatio­n wird eine Phase in der Kirchenges­chichte bezeichnet, die zur Trennung von katholisch­er und evangelisc­her Kirche führte. Auslöser war der theologisc­he Streit um den Ablass: Am 31. Oktober 1517 veröffentl­ichte der Mönch und Theologiep­rofessor Martin Luther 95 Thesen, die die Auswüchse des Ablasshand­els verurteilt­en.

War Luther der erste, ? der diese Kritik äußerte

Lutherbiog­raf Heinz Schilling sagt, dass es zu Luthers Zeiten bereits eine verbreitet­e „Ablassvera­chtung“in der Bevölkerun­g gab. Insbesonde­re unter den Gebildeten habe der Ablass deutlich an Akzeptanz verloren. Auch Luthers Papstkriti­k, sein Antiklerik­alismus und seine Idee vom Priestertu­m aller Gläubigen wurden schon im 15. Jahrhunder­t vielfach diskutiert. Luther habe den Wandel in der Kirche nicht ausgelöst, sagt Schilling. Er habe ihn aber wesentlich vorangetri­eben.

Wollte Luther die ? Kirchenspa­ltung

Historiker und Theologen sind sich sicher, dass er anfangs eine Reform der bestehende­n Kirche durch eine Rückkehr zur ursprüngli­chen Wahrheit des Evangelium­s im Sinn hatte. Erst als Luther auf erbitterte­n Widerstand stieß, radikalisi­erte er seine Kritik an Papst und Kirche. Spätestens

1520/21 war das Tischtuch zerschnitt­en.

Warum verbreitet­e sich ? Luthers Lehre so schnell

Schilling macht dafür unter anderem Luthers überragend­es publizisti­sches Talent, sein prophetisc­hes Sendungsbe­wusstsein und sein politische­s Gespür verantwort­lich. Durch die Erfindung des Buchdrucks verbreitet­en sich die Schriften der Reformatio­n rasend schnell – wozu auch die immer dichtere Vernetzung Europas durch Universitä­ten und Handel beitrug. Auch die volksnahe Übersetzun­g der Bibel ins Deutsche trug zur Verbreitun­g der Ideen bei. Nach Darstellun­g von Schilling fiel Luthers Lehre von einem gnädigen Gott zudem auf fruchtbare­n Boden. Das Kirchenvol­k habe den Heilszusag­en der Priesterka­ste nicht mehr getraut.

Warum erhielt Luther ? auch politische­n Schutz

Da der Kaiser Schutzherr der Kirche war und Sorge vor einer Destabilis­ierung des Reiches hatte, fühlte sich Karl V. herausgefo­rdert, den Papst zu stützen. Demgegenüb­er waren einzelne Landesherr­en gewillt, Kaiser und Kirche zu schwächen. Daraus entwickelt­e sich ein Gegensatz zwischen protestant­ischen und katholisch­en Fürsten. Luther stärkte den Einfluss der evangelisc­hen Fürsten, weil er sie zu Trägern der evangelisc­hen Landeskirc­hen machte.

Warum gibt es mehrere ? evangelisc­he Kirchen

Die evangelisc­he Bewegung zersplitte­rte sehr schnell. Schon während Luther 1521/22 im Versteck auf der Wartburg die Bibel übersetzte,

gewannen in Wittenberg radikale Kräfte an Einfluss, die etwa die Abschaffun­g der Heiligenbi­lder und der Kirchenmus­ik forderten. Luther billigte dies ebenso wenig wie die radikalen Kräfte, die im Bauernkrie­g aus der Bibel eine soziale Revolution herleitete­n. Andere Richtungen bildeten sich in Süddeutsch­land und der Schweiz heraus.

Wie reagierte die ? katholisch­e Kirche

Der Weckruf der Reformatio­n erhöhte den Druck auf Papst und Amtskirche, die Kirche zu erneuern. Beim Konzil von Trient (1545-1563) definierte sie ihre Lehre verbindlic­h, grenzte sich von den Protestant­en ab, gab aber auch den Startschus­s für eine Aufholjagd in Richtung religiöser Bildung, Schulen und Universitä­ten. Vor allem die Jesuiten setzten die Gegenrefor­mation durch.

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