Kliniken: Kassen betrügen massiv
Kommunale Krankenhäuser fordern Ermittlungen der Justiz
Manche Kassen bringen Ärzte offenbar dazu, für die Patienten viele Diagnosen zu dokumentieren. Dann gibt es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich.
BERLIN – Die kommunalen Krankenhäuser werfen den Krankenkassen systematischen Abrechnungsbetrug vor und verlangen umgehende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Offensichtlich nutzten die Kassen jährlich Beitragsmittel von mehreren hundert Millionen Euro, „um sich ungerechtfertigte Zahlungen zu sichern“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser, Susann Breßlein, in Berlin.
Der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, hatte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“eingeräumt: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich. Für all das hätten die Kassen seit 2014 eine Milliarde Euro ausgegeben, die für die Behandlung der Patienten fehle, sagte Baas.
Breßlein nannte es empörend, dass der TK-Chef das Eingeständnis systematischen Abrechnungsbetrugs „so beiläufig erwähnte, als handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit für Falschparken“. Vor diesem Hintergrund erscheine es zynisch, dass die Krankenkassen Millionen Euro von den Kliniken zurückhalten, deren Abrechnungen sie ihrerseits anzweifelten.
Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sprach von einer „rechtlichen Grauzone“und verlangte „klare und bundesweit einheitliche Bewertungsmaßstäbe“. Patienten auf dem Papier kränker zu machen, sei „verboten und kriminell“.
Der Risikostrukturausgleich weist einer Kasse Geld aus dem Gesundheitsfonds zu je nach Schwere der Erkrankung der Versicherten. Viele Kassen fordern noch in dieser Legislaturperiode eine Finanzreform.