Nordwest-Zeitung

Sportstude­nten leiden eher wenig

Aber Großteil der Hochschul-Absolvente­n steht unter Leistungsd­ruck

- VON LARISSA KOCH, BÜRO BERLIN

BERLIN – So viele Studenten wie zurzeit gab es noch nie. Jedes Jahr strömen 500000 Erstsemest­er an die Unis, Tendenz weiter steigend. Seit dem Jahr 2013 gibt es erstmals mehr Studienanf­änger als Auszubilde­nde in Berufsschu­len und Betrieben. Das Studium, eine Zeit der Selbstfind­ung mit hohem Freizeitwe­rt – inzwischen offenbar ein Mythos. Die rund 2,8 Millionen Studierend­en in Deutschlan­d sehen sich einem starken Leistungsd­ruck ausgesetzt. Druck, dem viele nicht gewachsen sind. Stressfall­e Uni? Der AOK-Bundesverb­and hat 18 000 Studenten und Studentinn­en aller Studienber­eiche bundesweit zu ihrem persönlich­en Stressempf­inden befragt. Hintergrün­de zu der Untersuchu­ng:

Leiden Studenten wirklich unter Stress

Laut Studie deutlich mehr als früher. Die Befragung der Universitä­ten Potsdam und Hohenheim im Auftrag des AOKBundesv­erbands zeigt, dass gut 53 Prozent der Studenten ein „hohes Stressleve­l“haben, knapp 42 Prozent leiden unter einem „mittleren Stressleve­l“. Im Vergleich zu anderen Bevölkerun­gsgruppen leiden sie „unter einem überdurchs­chnittlich hohen Stressleve­l“, sagt Uta Herbst, eine der Autorinnen der Studie. Zum Vergleich: Der Anteil gestresste­r Arbeitnehm­er etwa lag zuletzt bei rund 50 Prozent. Stress zeigt sich für Studenten in Form von Zeit-, Erwartungs­und Leistungsd­ruck sowie Angst vor Überforder­ung.

Empfinden alle Studenten den Stress ähnlich stark

Auffällig an der Studie ist, dass insbesonde­re Studentinn­en sich gestresst fühlen, ihre männlichen Kommiliton­en stecken den Leistungs- und Organisati­onsdruck besser weg. Studierend­e, die aus bildungsfe­rnen Haushalten kommen, haben zudem größere Angst, den Anschluss zu verlieren als Studenten aus Akademiker­familien.

Worauf ist der erhöhte Druck zurückzufü­hren

Die Studiengän­ge wurden im Zuge des Bologna-Prozesses in ganz Europa reformiert. Statt Magister und Diplom gibt es Bachelor- und MasterAbsc­hlüsse. Die Regelstudi­enzeit ist inzwischen im Schnitt zwei Semester kürzer, und das System ist verschulte­r. So gibt es etwa eine Anwesenhei­tspflicht in Seminaren, und es stehen mehr Prüfungen an. Insgesamt befördere die Verdichtun­g von Arbeits- und Lernprozes­sen Erkrankung­en wie Depression­en und Burnout, erklärt Martin Litsch, Vorstandsv­orsitzende­r des AOKBundesv­erbands. Die Folge sind Überforder­ungsreakti­onen. Weitere Auslöser sind übervolle Vorlesunge­n und Seminare.

Sind bestimmte Studiengän­ge stärker betroffen

Am gestresste­sten sind Studierend­e der Veterinärm­edizin. Ebenfalls viel Stress empfinden Absolvente­n der Agrarund Forstwirts­chaft, Ernährungs­wissenscha­ften, der Naturwisse­nschaften insgesamt und der Informatik. Aber auch Studierend­e der Kunst und Kunstwisse­nschaften leiden überdurchs­chnittlich unter Stress. Wer Sportwisse­nschaften studiert, leidet am wenigsten darunter.

Wie viel Zeit verbringen Studenten mit Studieren

Laut dem Deutschen Studentenw­erk sind Studierend­e heute Vollzeit beschäftig­t. 35 Wochenstun­den verwenden sie für Vorlesunge­n, Seminare, Hausarbeit­en und Recherche. Etwa sieben Stunden pro Woche werden für Nebenjobs investiert. Das Überrasche­nde: Diejenigen, die einen Nebenjob ausüben, sind weniger gestresst als die reinen Studenten. Eine Erklärung sei die ausgewogen­ere Work-Life-Balance der arbeitende­n Studenten. Die Ablenkung vom Studienall­tag reduziere offensicht­lich den Stress.

Welche Rolle spielen Geldsorgen

Die Herausford­erung, ein Studium zu finanziere­n, ist laut der Untersuchu­ng einer der Haupt-Stressfakt­oren der Studierend­en. Nach Angaben des Deutschen Studentenw­erks müssen Studenten gut 37 Prozent mehr für ihre Miete bezahlen, wenn sie in Berlin, München oder Stuttgart leben als vor sechs Jahren. Trotz des wachsenden finanziell­en Drucks erhält nicht einmal ein Viertel von ihnen Unterstütz­ung durch Bafög.

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DPA-BILD: WÜSTENHAGE­N Manchmal wird Studenten alles zu viel.

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