Adé Kreidezeit
Wirklich? Sprechen wir wirklich noch immer darüber, ob es Geld geben sollte für die Digitalisierung der Bildung? Ich muss mal eben nachdenken, wann meine Töchter (11 und 13) zum letzten Mal etwas mit Kreide an eine Tafel geschrieben haben. Richtig, nie – zumindest nie zu Hause, eventuell einmal in der Schule.
Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) möchte die rund 40 000 Schulen in den nächsten fünf Jahren mit einem Fünf-Milliarden-Euro-Programm für digitale Bildung fit machen. Statt zu hinterfragen, ob jemand schon heute abschätzen kann, welche digitalen Errungenschaften es in fünf Jahren (!) geben wird (das iPhone ist erst neun Jahre alt), hagelt es Protest. Der Präsident des Lehrerverbandes fordert, dass Schüler mehr miteinander sprechen und spielen sollen. Ich würde ja wetten, dass er exakt dieses Statement vor der Veröffentlichung in der verbandseigenen WhatsApp-Gruppe zur Diskussion gestellt hat.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert eine Investition in marode Schulgebäude. Natürlich sollten Schüler nicht in schimmeligen Klassenräumen sitzen. Wenn wir aber mit der Digitalisierung abwarten, bis alle Schulen ordentlich saniert sind, schreiben wir auch noch in 100 Jahren mit Kreide auf eine Tafel und verplempern Schulzeit mit der Organisation und Durchführung des Tafeldienstes.
Verdammt noch mal, die Digitalisierung ist längst im Klassenzimmer angekommen. Diese Milliarden sind gut angelegt. Natürlich hat jedes Kind ein Smartphone. Und wenn ein Kind kein Smartphone hat, sollte sich jemand darum kümmern, dass es eines aus welchem Fördertopf auch immer bekommt. Denn die Schüler tauschen sich digital aus. Ja, sie schreiben vermutlich digital voneinander ab, aber das haben wir früher auch gemacht – nur damals eben analog. Aktuell hängt die Ausstattung des Klassenraums mit einer digitalen Tafel nur vom Geldbeutel des jeweiligen Schulförderkreises ab. Das ist unfair.
Nebenbei: Wenn ich nicht möchte, dass meine Kinder am Smartphone herumdaddeln, sage oder verbiete ich es ihnen. Das nennt sich Erziehung. Das müssen aber wir Eltern unseren Kindern beibringen. Das ist nicht die Aufgabe einer Lehrerin oder eines Lehrers.
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