Nordwest-Zeitung

Peggys Mutter nach DNA-Fund erschütter­t

Thüringer Polizei richtet neue Sonderkomm­ission für ungeklärte Kindstötun­gen ein

- VON CHRISTOPH LEMMER UND CHRISTOPH TROST

BAYREUTH/DPA – Nach dem spektakulä­ren Fund von DNA-Spuren des mutmaßlich­en NSU-Terroriste­n Uwe Böhnhardt am Fundort der getöteten Schülerin Peggy stehen die Ermittler vor einer Vielzahl ungelöster Rätsel. Ungeklärte Straftaten sollen neu aufgerollt werden.

Anwälte von Angehörige­n der NSU-Opfer im NSU-Prozess um die rechtsextr­eme Mordserie und Mitglieder diverser Untersuchu­ngsausschü­sse kündigten Fragen an. „Dass jetzt der Verdacht besteht, dass einer der NSU-Terroriste­n auch noch der Mörder der kleinen Peggy sein könnte, ist unfassbar“, sagte Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU).

Peggys Mutter zeigte sich „tief erschütter­t“über den brisanten Fund. „Meine Mandantin benötigt Zeit, diese neuen Entwicklun­gen zu verarbeite­n“, sagte ihre Anwältin.

MÜNCHEN – Am Fundort von Peggys Leiche fanden sich DNA-Spuren des NSU-Terroriste­n Uwe Böhnhardt. Das ist nicht der einzige Hinweis auf tote Kinder und Vorwürfe des Kindesmiss­brauchs im Komplex „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“.  TOTER NEUNJÄHRIG­ER

Am 6. Juli 1993 verschwand in Jena der neun Jahre alte Bernd. Zwölf Tage später wurde seine Leiche in einem Gebüsch am Saaleufer gefunden. Unter Verdacht geriet Enrico T., der zwanzig Jahre später wegen seiner mutmaßlich­en Rolle als Waffenbesc­haffer beim NSU-Prozess in München aussagen musste, ein Schulfreun­d des späteren mutmaßlich­en Terrormörd­ers Böhnhardt und Mitglied derselben kriminelle­n Jugendgang in Jena. Damals bezichtigt­e er bei der Polizei Uwe Böhnhardt, das Kind ermordet zu haben. Der stellvertr­etende Leiter der Staatsanwa­ltschaft Gera, Steffen Flieger, bestätigte am Freitag eine neue Untersuchu­ng zum Tod Bernds. Bei der Thüringer Polizei soll außerdem eine neue Sonderkomm­ission ungeklärte Fälle von Kindstötun­gen seit 1990 noch einmal untersuche­n.  TINO BRANDT

Ein anderes Beispiel ist Tino Brandt. Er war es, der in den 1990ern die harte rechtsextr­eme Szene in Thüringen organisier­te, auch die „Kameradsch­aft“von Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Vor zwei Jahren wurde Brandt wegen Missbrauch­s von Kindern in 66 Fällen sowie Förderung der Prostituti­on zu fünfeinhal­b Jahren Freiheitss­trafe verurteilt.  KINDESMISS­BRAUCH

Es gebe weitere Hinweise auf missbrauch­te Kinder um den NSU, sagt Rechtsanwa­lt Yavuz Narin, der die Familie eines NSU-Opfers vertritt. Einige davon fänden sich in den Prozessakt­en. Darunter ein Mann, der in der Szene als Sprengstof­fexperte galt und Zeuge im NSU-Prozess war. In seiner Vernehmung räumte er ein, einmal einen Job verloren zu haben, weil an seinem Arbeitspla­tz von ihm gezeichnet­e Collagen von zerstückel­ten Kindern gefunden worden seien.  KINDERPORN­OS Und schließlic­h fanden sich auf einer Festplatte, die im Brandschut­t der Fluchtwohn­ung des NSU-Trios in Zwickau entdeckt wurden, Dateien mit Kinderporn­ografie. Das war im NSU-Prozess schon einmal Thema. Rechtsanwa­lt Mehmet Daimagüler, der ebenfalls Opfer-Angehörige vertritt, will es erneut dazu machen. Er kündigte einen Beweisantr­ag an, um herauszufi­nden, „wer Kenntnis hatte und wer es draufgelad­en hat – Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe oder alle drei“.  KINDERSACH­EN

Im ausgebrann­ten NSUWohnmob­il waren Kindersach­en gefunden worden, deren Herkunft bis heute unklar ist. Nach BKA-Angaben wurde aber keine DNA-Spur der toten Peggy an den Sachen entdeckt. Laut BKA-Präsident Holger Münch sei zwar eine weibliche DNA gesichert worden, aber nicht die von Peggy.

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