Peggys Mutter nach DNA-Fund erschüttert
Thüringer Polizei richtet neue Sonderkommission für ungeklärte Kindstötungen ein
BAYREUTH/DPA – Nach dem spektakulären Fund von DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der getöteten Schülerin Peggy stehen die Ermittler vor einer Vielzahl ungelöster Rätsel. Ungeklärte Straftaten sollen neu aufgerollt werden.
Anwälte von Angehörigen der NSU-Opfer im NSU-Prozess um die rechtsextreme Mordserie und Mitglieder diverser Untersuchungsausschüsse kündigten Fragen an. „Dass jetzt der Verdacht besteht, dass einer der NSU-Terroristen auch noch der Mörder der kleinen Peggy sein könnte, ist unfassbar“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU).
Peggys Mutter zeigte sich „tief erschüttert“über den brisanten Fund. „Meine Mandantin benötigt Zeit, diese neuen Entwicklungen zu verarbeiten“, sagte ihre Anwältin.
MÜNCHEN – Am Fundort von Peggys Leiche fanden sich DNA-Spuren des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt. Das ist nicht der einzige Hinweis auf tote Kinder und Vorwürfe des Kindesmissbrauchs im Komplex „Nationalsozialistischer Untergrund“. TOTER NEUNJÄHRIGER
Am 6. Juli 1993 verschwand in Jena der neun Jahre alte Bernd. Zwölf Tage später wurde seine Leiche in einem Gebüsch am Saaleufer gefunden. Unter Verdacht geriet Enrico T., der zwanzig Jahre später wegen seiner mutmaßlichen Rolle als Waffenbeschaffer beim NSU-Prozess in München aussagen musste, ein Schulfreund des späteren mutmaßlichen Terrormörders Böhnhardt und Mitglied derselben kriminellen Jugendgang in Jena. Damals bezichtigte er bei der Polizei Uwe Böhnhardt, das Kind ermordet zu haben. Der stellvertretende Leiter der Staatsanwaltschaft Gera, Steffen Flieger, bestätigte am Freitag eine neue Untersuchung zum Tod Bernds. Bei der Thüringer Polizei soll außerdem eine neue Sonderkommission ungeklärte Fälle von Kindstötungen seit 1990 noch einmal untersuchen. TINO BRANDT
Ein anderes Beispiel ist Tino Brandt. Er war es, der in den 1990ern die harte rechtsextreme Szene in Thüringen organisierte, auch die „Kameradschaft“von Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Vor zwei Jahren wurde Brandt wegen Missbrauchs von Kindern in 66 Fällen sowie Förderung der Prostitution zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. KINDESMISSBRAUCH
Es gebe weitere Hinweise auf missbrauchte Kinder um den NSU, sagt Rechtsanwalt Yavuz Narin, der die Familie eines NSU-Opfers vertritt. Einige davon fänden sich in den Prozessakten. Darunter ein Mann, der in der Szene als Sprengstoffexperte galt und Zeuge im NSU-Prozess war. In seiner Vernehmung räumte er ein, einmal einen Job verloren zu haben, weil an seinem Arbeitsplatz von ihm gezeichnete Collagen von zerstückelten Kindern gefunden worden seien. KINDERPORNOS Und schließlich fanden sich auf einer Festplatte, die im Brandschutt der Fluchtwohnung des NSU-Trios in Zwickau entdeckt wurden, Dateien mit Kinderpornografie. Das war im NSU-Prozess schon einmal Thema. Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der ebenfalls Opfer-Angehörige vertritt, will es erneut dazu machen. Er kündigte einen Beweisantrag an, um herauszufinden, „wer Kenntnis hatte und wer es draufgeladen hat – Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe oder alle drei“. KINDERSACHEN
Im ausgebrannten NSUWohnmobil waren Kindersachen gefunden worden, deren Herkunft bis heute unklar ist. Nach BKA-Angaben wurde aber keine DNA-Spur der toten Peggy an den Sachen entdeckt. Laut BKA-Präsident Holger Münch sei zwar eine weibliche DNA gesichert worden, aber nicht die von Peggy.