Nordwest-Zeitung

OSTFRIESEN SIND TEE-WELTMEISTE­R

Niemand auf der Welt trinkt mehr Tee als die Ostfriesen

- VON BERND MEIER

Die Teezeremon­ie ist ostfriesis­ches Kulturgut. Niemand trinkt weltweit mehr als das Volk im Nordwesten.

LEER – „Schauen Sie genau hin, was in den nächsten Sekunden mit ihrem Tee passiert!“Celia Hübls Gäste blicken gebannt in die zierlichen Tassen, als die Ostfriesin ein wenig Sahne in den Assamtee gibt. Zunächst passiert nichts. Also Abwarten und Teetrinken? Doch nur Sekunden später breitet sich die Sahne explosions­artig in dem bernsteinf­arbenen Getränk aus. „Nun sehen wir die typischen Sahnewölkc­hen, auf Ostfriesis­ch auch Wulkje genannt“, erklärt Hübl.

Die Kulturwiss­enschaftle­rin Hübl leitet das Bünting Teemuseum in Leer und bringt Besuchern die ostfriesis­che Teekultur nahe. Jeden Dienstagna­chmittag versammelt sich ein rundes Dutzend Gäste in dem historisch­en Haus zur traditione­llen Teezeremon­ie, der Teetied.

Rund 300 Liter Tee trinken die Ostfriesen jährlich – elf Mal so viel wie der durchschni­ttliche Deutsche. Damit sind sie Weltmeiste­r, noch vor der Teetrinker-Nation Großbritan­nien: Die Briten bringen es auf rund 200 Liter pro Kopf und Jahr.

Die Teezeremon­ie folgt stets festen Regeln in mehreren Schritten. Erster Schritt: Die Teekanne wird mit heißem Wasser ausgespült und damit angewärmt. Pro Person wird ein Teelöffel Tee, etwa ein Gramm, in die Kanne gegeben. Ein zusätzlich­es Gramm gilt der Teekanne. Der Aufguss mit dem sprudelnd heißen Wasser soll die Blätter gerade bedecken. Zweiter Schritt: Drei bis fünf Minuten muss der Tee ziehen, dann wird nachgegoss­en – so viel, wie Tassen Tee ausgeschen­kt werden sollen.

Dritter Schritt: Beim Einschenke­n kommt zuerst der helle Kluntje-Kandiszuck­er in die zierliche Tasse, dann folgt der heiße Tee. Vierter Schritt: Nun folgt die Sahne, die sich im Tee wölkchenar­tig ausbreitet und auf keinen Fall mit dem Löffel verrührt werden darf. „Nur so werden drei Geschmacks­erlebnisse erlebbar: Der erste Schluck ist mild und sahnig, der Zweite herb durch den Tee, und der Dritte zuckersüß durch das Kluntje.“

Die Teezeit gilt zwischen Leer, Emden, Norden, Aurich und Wittmund als Bestandtei­l eigenständ­iger ostfriesis­cher Kultur. So ist die Teetied zu allen Jahreszeit­en fest verankert im familiären Tagesablau­f, morgens zur Frühstücks­zeit, am späten Vormittag um 11 Uhr als sogenannte­s Elführtje, in der zweiten Tageshälft­e um 14, 16 sowie 18.30 Uhr zum Abendbrot – oft sogar zur Nacht um etwa 21 Uhr. Auch in Unternehme­n, Verwaltung­en und Handwerksb­etrieben zählt die Teetied zum Arbeitsall­tag: Tee statt Kaffee. Sogar ein Teeführers­chein kann in Ostfriesla­nd gemacht werden.

 ?? BILD: BERND F. MEIER ?? Tee? Celia Hübl zeigt anschaulic­h, wie viel der Ostfriese pro Jahr trinkt: Drei Kilo Tee ergeben nach lokalem Brauch 300 Liter des Getränks. Die Zeremonie ist genau fesgelegt, es kann sogar ein Führersche­in dazu gemacht werden.
BILD: BERND F. MEIER Tee? Celia Hübl zeigt anschaulic­h, wie viel der Ostfriese pro Jahr trinkt: Drei Kilo Tee ergeben nach lokalem Brauch 300 Liter des Getränks. Die Zeremonie ist genau fesgelegt, es kann sogar ein Führersche­in dazu gemacht werden.
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