OSTFRIESEN SIND TEE-WELTMEISTER
Niemand auf der Welt trinkt mehr Tee als die Ostfriesen
Die Teezeremonie ist ostfriesisches Kulturgut. Niemand trinkt weltweit mehr als das Volk im Nordwesten.
LEER – „Schauen Sie genau hin, was in den nächsten Sekunden mit ihrem Tee passiert!“Celia Hübls Gäste blicken gebannt in die zierlichen Tassen, als die Ostfriesin ein wenig Sahne in den Assamtee gibt. Zunächst passiert nichts. Also Abwarten und Teetrinken? Doch nur Sekunden später breitet sich die Sahne explosionsartig in dem bernsteinfarbenen Getränk aus. „Nun sehen wir die typischen Sahnewölkchen, auf Ostfriesisch auch Wulkje genannt“, erklärt Hübl.
Die Kulturwissenschaftlerin Hübl leitet das Bünting Teemuseum in Leer und bringt Besuchern die ostfriesische Teekultur nahe. Jeden Dienstagnachmittag versammelt sich ein rundes Dutzend Gäste in dem historischen Haus zur traditionellen Teezeremonie, der Teetied.
Rund 300 Liter Tee trinken die Ostfriesen jährlich – elf Mal so viel wie der durchschnittliche Deutsche. Damit sind sie Weltmeister, noch vor der Teetrinker-Nation Großbritannien: Die Briten bringen es auf rund 200 Liter pro Kopf und Jahr.
Die Teezeremonie folgt stets festen Regeln in mehreren Schritten. Erster Schritt: Die Teekanne wird mit heißem Wasser ausgespült und damit angewärmt. Pro Person wird ein Teelöffel Tee, etwa ein Gramm, in die Kanne gegeben. Ein zusätzliches Gramm gilt der Teekanne. Der Aufguss mit dem sprudelnd heißen Wasser soll die Blätter gerade bedecken. Zweiter Schritt: Drei bis fünf Minuten muss der Tee ziehen, dann wird nachgegossen – so viel, wie Tassen Tee ausgeschenkt werden sollen.
Dritter Schritt: Beim Einschenken kommt zuerst der helle Kluntje-Kandiszucker in die zierliche Tasse, dann folgt der heiße Tee. Vierter Schritt: Nun folgt die Sahne, die sich im Tee wölkchenartig ausbreitet und auf keinen Fall mit dem Löffel verrührt werden darf. „Nur so werden drei Geschmackserlebnisse erlebbar: Der erste Schluck ist mild und sahnig, der Zweite herb durch den Tee, und der Dritte zuckersüß durch das Kluntje.“
Die Teezeit gilt zwischen Leer, Emden, Norden, Aurich und Wittmund als Bestandteil eigenständiger ostfriesischer Kultur. So ist die Teetied zu allen Jahreszeiten fest verankert im familiären Tagesablauf, morgens zur Frühstückszeit, am späten Vormittag um 11 Uhr als sogenanntes Elführtje, in der zweiten Tageshälfte um 14, 16 sowie 18.30 Uhr zum Abendbrot – oft sogar zur Nacht um etwa 21 Uhr. Auch in Unternehmen, Verwaltungen und Handwerksbetrieben zählt die Teetied zum Arbeitsalltag: Tee statt Kaffee. Sogar ein Teeführerschein kann in Ostfriesland gemacht werden.