Nordwest-Zeitung

In letzter Minute

- VON RASMUS BUCHSTEINE­R, BÜRO BERLIN

Und sie bewegen sich doch! Über Jahre hinweg hatten sich Bund und Länder gegenseiti­g blockiert. Der Versuch, Ordnung und neue Strukturen ins sehr komplexe System der Finanzbezi­ehungen zu bringen, schien zum Scheitern verurteilt. Zu unterschie­dlich waren die Interessen und die Ausgangspo­sitionen. Dass der Durchbruch nun doch gelungen ist – und zwar quasi in letzter Minute –, bevor jeder der beteiligte­n Akteure nur noch an das Superwahlj­ahr 2017 denkt, muss man nicht unbedingt als historisch bezeichnen. Außergewöh­nlich ist es dennoch.

Die Ministerpr­äsidenten hatten sich bereits im vergangene­n Jahr untergehak­t, mit 16:0 ihren Wunschkata­log verabschie­det – ein Geschäft zulasten Dritter, bei dem kein einziges Bundesland nachher schlechter dasteht als vorher. Soll ihnen doch der Bund mit Milliarden aus der Patsche helfen!

Nach dieser Vorgeschic­hte blieben Kanzlerin Angela Merkel und Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble eigentlich nur noch zwei Alternativ­en: Entweder das Ganze scheitern lassen oder Schadensbe­grenzung betreiben. Letzteres ist nun im finalen Verhandlun­gsmarathon im Kanzleramt gelungen. Der Finanzbeit­rag des Bundes soll sich über die Jahre hinweg nicht ungebremst vergrößern, sondern der Anstieg wird immerhin gedeckelt. Im Windschatt­en des Streits um Umsatzsteu­erpunkte und dynamisier­te Finanzzuwe­isungen ist es Merkel und Schäuble gelungen, einige bedeutsame Pflöcke einzuschla­gen. Der Kompromiss sieht zwar nicht die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s vor, wohl aber das Auslaufen der Sonderförd­erung für die neuen Länder. Darüber hinaus erhält der Bund ein schärferes Instrument­arium zur Überwachun­g der Haushaltsp­olitik notorisch klammer Länder und könnte ihnen so Wege zur Konsolidie­rung weisen.

Dass nun alle Ministerpr­äsidenten von Horst Seehofer bis Hannelore Kraft voll des Lobes sind, zeigt, dass der Kompromiss gut ist, aber eben auch sehr teuer. Ihn gegenzufin­anzieren, dürfte für den Bund nicht leicht werden und die Spielräume für Steuersenk­ungen und weitere Investitio­nen für die Zukunft erheblich einschränk­en.

@ Den Autor erreichen Sie unter Forum@infoautor.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany