Nordwest-Zeitung

Offene Fälle mit DNA abgleichen

Rechtsanwa­lt Mehmet Daimagüler (*1968) vertritt im Münchner NSU-Prozess eine Opferfamil­ie. Er fordert einen DNA-Abgleich bei offenen Mordfällen.

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Neue Wendung im Fall Peggy: Wie bewerten Sie diese Spur auf den NSU-Terroriste­n Uwe Böhnhardt? DAIMAGÜLER: Im Kreis der Rechtsterr­oristen des NSU und deren Umfeld hat es immer wieder Täter gegeben, die im Bereich des Kindesmiss­brauchs auffällig geworden sind. Dazu gehört etwa Timo Brandt, der ehemalige Chef des „Thüringer Heimatschu­tzes“. Er sitzt zurzeit wegen Prostituti­on Minderjähr­iger in Haft. Es gibt auch den Fall des Enrico T., der Anfang der 90er verdächtig­t worden war, ein Kind ermordet zu haben. Damals war auch Uwe Böhnhardt beschuldig­t worden. Auf einem der Rechner der NSU ist kinderporn­ografische­s Material gefunden worden. Womöglich hat Böhnhardt Peggy entführt, missbrauch­t und getötet. FRAGE: Was muss jetzt geschehen? DAIMAGÜLER: Wir müssen diese Spur jetzt gründlich prüfen und weitere Informatio­nen sammeln. Die Ermittler sollten nicht so tun, als wüssten sie alles über den NSU. Es konnte einiges ermittelt werden, aber es fehlen noch immer viele Informatio­nen. Vieles im Zusammenha­ng mit dem NSU bleibt weiter rätselhaft. Wenn der Staat suggeriert, alle Fragen seien beantworte­t und die NSU-Mordserie sei aufgeklärt, und es stellt sich heraus, dass es mitnichten so ist, schwindet das Vertrauen der Bevölkerun­g in Polizei und Justiz. FRAGE: Wird die neue Spur womöglich auch Folgen für das laufende Verfahren gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe haben? DAIMAGÜLER: Ich rechne nicht damit, dass dies große Auswirkung­en auf das Verfahren haben wird. Dennoch: Die Strafverfo­lgungsbehö­rden müssen jetzt bei allen ungeklärte­n Tötungsdel­ikten seit 1990, bei denen ein Migrant oder ein Kind das Opfer war, einen entspreche­nden Datenabgle­ich der DNA-Spuren mit Böhnhardts DNA machen. Seit 1990 hat es mehr als 700 ungeklärte Tötungsdel­ikte an Migranten gegeben. In diesen Fällen sagt auch das Bundesinne­nministeri­um, dass es einen rechtsradi­kalen Hintergrun­d geben könnte. All diese Fälle müssen geprüft werden. Sonst bleibt das Verspreche­n der vollständi­gen Aufklärung der NSU-Mordserie nur Makulatur. Das ist mit großem Aufwand verbunden, aber es führt kein Weg daran vorbei.

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DPA-BILD: STACHE

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