Offene Fälle mit DNA abgleichen
Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler (*1968) vertritt im Münchner NSU-Prozess eine Opferfamilie. Er fordert einen DNA-Abgleich bei offenen Mordfällen.
FRAGE: Neue Wendung im Fall Peggy: Wie bewerten Sie diese Spur auf den NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt? DAIMAGÜLER: Im Kreis der Rechtsterroristen des NSU und deren Umfeld hat es immer wieder Täter gegeben, die im Bereich des Kindesmissbrauchs auffällig geworden sind. Dazu gehört etwa Timo Brandt, der ehemalige Chef des „Thüringer Heimatschutzes“. Er sitzt zurzeit wegen Prostitution Minderjähriger in Haft. Es gibt auch den Fall des Enrico T., der Anfang der 90er verdächtigt worden war, ein Kind ermordet zu haben. Damals war auch Uwe Böhnhardt beschuldigt worden. Auf einem der Rechner der NSU ist kinderpornografisches Material gefunden worden. Womöglich hat Böhnhardt Peggy entführt, missbraucht und getötet. FRAGE: Was muss jetzt geschehen? DAIMAGÜLER: Wir müssen diese Spur jetzt gründlich prüfen und weitere Informationen sammeln. Die Ermittler sollten nicht so tun, als wüssten sie alles über den NSU. Es konnte einiges ermittelt werden, aber es fehlen noch immer viele Informationen. Vieles im Zusammenhang mit dem NSU bleibt weiter rätselhaft. Wenn der Staat suggeriert, alle Fragen seien beantwortet und die NSU-Mordserie sei aufgeklärt, und es stellt sich heraus, dass es mitnichten so ist, schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in Polizei und Justiz. FRAGE: Wird die neue Spur womöglich auch Folgen für das laufende Verfahren gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe haben? DAIMAGÜLER: Ich rechne nicht damit, dass dies große Auswirkungen auf das Verfahren haben wird. Dennoch: Die Strafverfolgungsbehörden müssen jetzt bei allen ungeklärten Tötungsdelikten seit 1990, bei denen ein Migrant oder ein Kind das Opfer war, einen entsprechenden Datenabgleich der DNA-Spuren mit Böhnhardts DNA machen. Seit 1990 hat es mehr als 700 ungeklärte Tötungsdelikte an Migranten gegeben. In diesen Fällen sagt auch das Bundesinnenministerium, dass es einen rechtsradikalen Hintergrund geben könnte. All diese Fälle müssen geprüft werden. Sonst bleibt das Versprechen der vollständigen Aufklärung der NSU-Mordserie nur Makulatur. Das ist mit großem Aufwand verbunden, aber es führt kein Weg daran vorbei.