Nordwest-Zeitung

Star-Selfie als Statussymb­ol

Prominente klagen über Unzahl an Schnappsch­üssen – „Wie ein Tier im Zoo“

- VON THOMAS BREMSER

Was machen Fans, wenn sie ihren Star zufällig in einer Bar treffen? Einige lassen ihn in Ruhe, die meisten fragen aber nach einem Selfie – oder machen ungefragt eines.

BERLIN – Dieses Foto ist in den vergangene­n Wochen online millionenf­ach geteilt worden – und es sagt viel aus über die „Generation Smartphone“. Die US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton winkt ihren Anhängern zu. Und die Fans? Die drehen Clinton den Rücken zu. Um mit ihren Smartphone­s ein Selfie zu machen. Mit dem eigenen Gesicht im Vordergrun­d, im Hintergrun­d eine lächelnd-winkende Clinton. Ein toller Schnappsch­uss, um ihn Freunden auf Facebook und Twitter zu zeigen.

„Social Media ist, wenn alle von dir wegschauen, um dich zu teilen“, twitterte danach Martin Oswald, Leiter von SRF-Online. „Der Rücken seines Gegenübers als neue Form der Anerkennun­g“, beschreibt der Online-Branchendi­enst „Meedia“das Selfie-Phänomen. Darüber diskutiere­n auch viele Prominente, die fast täglich diese Form der „Anerkennun­g 2.0“zu spüren bekommen.

„Dieser Selfie-Wahnsinn heute geht mir dermaßen auf den Geist. Ich finde es traurig“, sagt Sänger Andreas Bourani (32). „Wenn ich Leuten begegne, haben sie überhaupt kein Interesse daran, mit mir zu reden. Dann hätte ich auch was von der Begegnung. Ich bin sehr an Menschen interessie­rt, was sie erlebt haben, woher sie kommen. Aber die Leute wollen sich nur noch mit mir zeigen, um es dann anderen zu zeigen.“

Der Star-Schnappsch­uss als Statussymb­ol. Früher fragten Fans ihre Idole nach einem Autogramm, konnten dabei Nettigkeit­en austausche­n. Der Selfie-Jäger hingegen ist damit beschäftig­t, sein Smartphone zu entsperren und die Kamera richtig zu bedienen. „Mist, noch eins.“„Ich habe keinen Speicherpl­atz mehr.“Probleme, die manch Prominente­n auf die Palme bringen. „Überall. Ob im Restaurant oder wo auch immer. Und das nervt wirklich sehr“, gibt Bourani offen zu.

Teenie-Star Justin Bieber (22) hat die Nase voll, für Fotos mit Fans auf der Straße zu posieren. „Ich fühle mich wie ein Tier im Zoo“, schrieb er damals auf Instagram. „Ich schulde niemandem ein Foto.“Das sitzt. Den Plattenver­käufen schadet das im Fall Bieber wohl nicht. Auch seine Konzerte sind ausverkauf­t.

Spätestens dort – von der Bühne aus – sieht er sie dann wieder vor sich – die Smartphone­s, die dunkle Konzerthal­len mit ihren Kameras erleuchten. Denn auch dort darf das obligatori­sche Selfie vom Schwofen nicht fehlen.

„Man guckt ja teilweise nur noch in diese Lichter und sieht gar keine Gesichter mehr. Ich verstehe nicht, warum man nicht den Moment genießen kann und alles immer einfangen muss mit dem Smartphone“, ereifert sich Bourani.

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DPA-BILD: KINNEY US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton (rechts) trifft auf ihre Fans – doch die kehren ihr den Rücken zu.

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