Nägelkauen ist keine Kinderkrankheit
Nägelkauen kommt vor allem bei Kindern und Jugendlichen vor. In der Regel handelt es sich um eine vorübergehende Episode. Oft beginnt Nägelkauen bereits im Kindergartenalter. Die Häufigkeit nimmt bis zur Pubertät zu. Bis zu 20 Prozent der sieben- bis zehnjährigen Kinder, und 30 bis 45 Prozent der Jugendlichen und Heranwachsenden sind betroffen. Meist hört die Symptomatik dann wieder auf, wobei noch bis zu zehn Prozent der Erwachsenen Nägel kauen.
Beim Nägelkauen oder -beißen (Onychophagie) werden die Nägel oft bis zur Nagelsohle abgekaut. Manchmal wird auch an der Haut der Fingerkuppen geknabbert. Die abgebissenen Nagel- und Hautstücke werden geschluckt oder ausgespuckt. Durch das ständige Nägelkauen wird die Nagelplatte verkürzt, und es kann zu Entzündungen, Blutungen und Fehlbildungen kommen.
Oft tritt Nägelkauen in Situationen mit erhöhter Anspannung oder Leistungsanforderung auf. Betroffen sind gehäuft motorisch unruhige und leicht erregbare Kinder, aber auch überängstliche Kinder, die sich im motorischen und emotionalen Bereich nicht entfalten können. Nägelkauen deutet auf Anspannungssituationen und ungelöste Konflikte. Den Betroffenen fällt es schwer, angemessen mit Stress und Anspannung umgehen.
Besonders, wenn Heranwachsende motorisch eingeengt und/oder emotional allein gelassen werden und aggressives Verhalten oder sonstige Gefühle nicht ausleben dürfen, kann es zum Nägelkauen kommen. So gilt das Nägelkauen als nicht angemessene Affektabfuhr oder auch als Ersatzbefriedigung. Übermäßig starkes Nägelkauen mit Verletzung der Nagelhaut kann durch psychische Störungen mit Neigung zu Selbstverletzungen oder anderen Persönlichkeitsstörungen bedingt sein.
Nägelkauen geschieht oft unbewusst. Es fällt daher nicht leicht, damit aufzuhören. In den meisten Fällen klingt das Nägelkauen nach der Pubertät von allein wieder ab. Vielfältig sind die Behandlungsansätze für den, der nicht so lange warten will.
Die Behandlung hängt von der Ursache ab. Einem Kind das Nägelkauen gegen seinen Willen abzugewöhnen ist meist unmöglich. Hyperaktive und impulsive Kinder kann man zu sportlichen oder anderen motorischen Aktivitäten animieren, so dass das Nägelkauen nicht als Ventil für überschüssige Energie fungieren muss. Auch Entspannungstechniken vermögen das Nägelkauen zu stoppen.
Apotheken halten spezielle Tinkturen gegen Nägelkauen bereit. Ein schlecht schmeckender Nagellack wird auf die Nägel aufgetragen. Durch den schlechten Geschmack im Mund wird den Kindern dann oftmals überhaupt erst klar, dass sie gerade an ihren Nägeln geknabbert haben.
Verhaltenstherapeutische Maßnahmen zielen zum Beispiel darauf ab zunächst zu erkennen, wann und in welchen Situationen das Nägelkauen auftritt und konkurrierende Verhaltensweisen zu erlernen sowie eine rituelle, tägliche Nagelpflege zu praktizieren.
Es ist beruhigend zu wissen, dass Nägelkauen auch positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder haben kann. Eine aktuelle Studie aus Neuseeland vom Juli dieses Jahres untersuchte mehr als 1000 Kinder und Erwachsene, die im Alter von einem Jahr bis elf Jahren Nägel kauten oder Daumen lutschten. Im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv hatten sie ein um 30 bis 40 Prozent niedrigeres Risiko, an einer Neurodermitis zu erkranken.