Nordwest-Zeitung

Keine Mehrheit für Änderung des Grundgeset­zes

- VON RASMUS BUCHSTEINE­R, BÜRO BERLIN

FRAGE: In Ferdinand von Schirachs Theaterstü­ck „Terror“hat ein Terrorist eine Passagierm­aschine entführt, zwingt den Flugkapitä­n, Kurs auf ein mit Menschen vollbesetz­tes Fußballsta­dion zu nehmen. Ein Jetpilot der Luftwaffe schießt die Maschine gegen den Befehl seines Vorgesetzt­en ab. Schuldig oder nicht schuldig? JUNG: Nicht schuldig! Der Pilot handelt aus einem übergesetz­lichen Notstand heraus. Er kommt in dieser Extremsitu­ation zu der Entscheidu­ng, dass er die Menschen im Stadion retten muss. Deshalb entscheide­t er sich für den Abschuss des Flugzeuges. Es ist gut, wenn das Thema jetzt von einer breiten Öffentlich­keit diskutiert wird. FRAGE: Das Bundesverf­assungsger­icht hat allerdings das Luftsicher­heitsgeset­z für verfassung­swidrig erklärt und damit die Möglichkei­t für einen solchen Abschuss im Notfall eingeschrä­nkt. JUNG: Bei der Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts ging es genau um diesen Fall, den von Schirach beschreibt. Die Passagiere im Flugzeug sind dem Tode geweiht. Sie werden sterben. Bei dem Terroransc­hlag 9/11 mit zwei Flugzeugen auf das World Trade Center hat kein einziger Passagier überlebt. Bei einem solchen Fall handelt es sich um eine Extremsitu­ation. Das Bundesverf­assungsger­icht hat auch klargestel­lt, dass jemand, der dennoch eine Entscheidu­ng für einen Abschuss trifft, straffrei bleiben kann. Das geht nur, wenn man sich auf einen übergesetz­lichen Notstand berufen kann. Karlsruhe hat erklärt, man dürfe Leben nicht gegen Leben abwägen. Aber an anderer Stelle geschieht das sehr wohl. Bei der medizinisc­hen Indikation etwa entscheide­n wir uns auch dafür, das Leben der Mutter zu retten und das Leben des Kindes nicht. FRAGE: Aber mit dem Abschuss eines Passagierf­lugzeugs und dem Tod von Unschuldig­en würde man sich über Gesetz und Verfassung stellen, oder? JUNG: Eine verfassung­srechtlich­e Klarstellu­ng wäre sinnvoll. Immer wenn die Mittel der Polizei nicht ausreichen, sollte auch die Bundeswehr eingreifen können. Dafür gibt es aber leider keine notwendige verfassung­sändernde Zwei-Drittel-Mehrheit. So muss der Verteidigu­ngsministe­r in einer solchen Situation allein entscheide­n. Im extremen Notfall kann er sich auf den übergesetz­lichen Notstand berufen. BERLIN/DPA – Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) will bei der nächsten Bundestags­wahl im kommenden Herbst nicht wieder kandidiere­n. Das habe Lammert (67) in einem Schreiben an seinen CDU-Kreisverba­nd Bochum mitgeteilt, teilte der Sprecher des Bundestage­s, Ernst Hebeker, am Montag mit. Lammert teilt in seinem Schreiben an die Parteifreu­nde in Nordrhein-Westfalen mit, sein Entschluss sei nach reiflicher Überlegung gefallen. „Der Abschied aus der aktiven Politik fällt mir nicht leicht.“Am Ende dieser Legislatur­periode gehöre er dem Bundestag 37 Jahre an. „Ich denke, es ist nun Zeit für einen Wechsel, zumal auch ich nicht immer jünger werde“, schreibt der CDU-Politiker weiter.

Seit Monaten wird in der Politik spekuliert, Lammert habe Chancen auf die Nachfolge Gaucks bei der Wahl im kommenden Februar. Von Anfang an war er der am häufigsten genannte Name. Dem Bundestags­präsidente­n wird das Amt allgemein zugetraut. Er hält geschliffe­ne Reden, kann repräsenti­eren. Lammert selbst hat alle Ambitionen zurückgewi­esen. Der Rückhalt in der Union wäre ihm nach Einschätzu­ng von Parteifreu­nden sicher. Allerdings dürfte die Unterstütz­ung der SPD fehlen.

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DPA-BILD: KALAENE

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