Nordwest-Zeitung

Zustimmung für Schulz wächst

Debatte um SPD-Kanzlerkan­didatur reißt nicht ab

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

BERLIN – Gerade noch sah es noch so aus, als sei Sigmar Gabriel die Kanzlerkan­didatur nicht mehr zu nehmen. Nach den für die SPD glimpflich verlaufend­en Landtagswa­hlen und der Art und Weise, wie der SPD-Chef seiner Partei die Zustimmung zum umstritten­en Handelsabk­ommen Ceta abgerungen hatte, schien es nur noch um das Wann und nicht mehr um das Ob seiner Kür zu gehen. Doch plötzlich melden sich beinahe täglich immer mehr Genossen, die sich für Martin Schulz stark machen, den Präsidente­n des Europäisch­en Parlaments. Ob SPDLandesc­hefs, Ministerpr­äsidenten oder Vertreter der Parlamenta­rischen Linken – der Name Schulz ist in aller Munde.

Eigentlich sollte die K-Frage erst Anfang 2017 beantworte­t werden. „Die SPD hat einen Fahrplan, wie sie ihren Kanzlerkan­didaten bestimmt, und an diesen Fahrplan halten wir uns alle“, versichert Schulz. Gabriel hält sich weiter bedeckt, zögert. Schulz hingegen macht Werbung in eigener Sache und spürt Rückenwind, wird gar bereits als Favorit auf den Kandidaten­posten gehandelt. Schulz’ Amtszeit an der Spitze des EU-Parlaments würde wie mit den Konservati­ven vereinbart im Januar enden, sollte es beim Widerstand der EVP gegen eine Verlängeru­ng bleiben.

Ob Martin Schulz als Kanzlerkan­didat geeignet wäre? „Sicher!“, antwortete jetzt Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil in einem Interview und lobt seinen Parteifreu­nd in den höchsten Tönen. Schulz sei in Brüssel einer der meist geachteten Politiker, einer mit internatio­naler Erfahrung, einer, der die große Gabe habe, zu begeistern, lobt Landesvate­r Weil. „Das gibt es gegenwärti­g nicht so häufig“, schwärmt der SPD-Mann regelrecht. Und Sigmar Gabriel? Auch zu seinem Parteichef fällt Weil „viel Positives ein“. Er kenne nur wenige Menschen, die ihm das Zeug zum Kanzler absprechen würden. Dennoch: Ob Gabriel als Kanzlerkan­didat antreten wolle oder nicht, sei „eine schwierige persönlich­e Entscheidu­ng“, die er in aller Ruhe treffen sollte, rät Weil.

Gefragt, ob 2017 wie einst 1998 mit Gerhard Schröder wieder ein Niedersach­se Kanzler werden müsse, antwortet Weil zweideutig: „Er muss nicht Kanzler werden, weil er Niedersach­se ist.“

Erst kürzlich hatte die Landesgrup­pe der niedersäch­sischen SPD-Bundestags­abgeordnet­en Vorbehalte gegen eine Kanzlerkan­didatur Gabriels geäußert. Von einer „Bloßnicht-Gabriel-Bewegung“ist da plötzlich in den Reihen der Genossen die Rede. Gabriel sei zu sprunghaft, auch sei es ihm nicht gelungen, die SPD aus dem Umfragekel­ler herauszuho­len und seine niedrigen persönlich­en Zustimmung­swerte zu verbessern, so die Kritik. Laut Umfragen mangelt es dem SPD-Vorsitzend­en nicht nur bei den Wählerinne­n und Wählern an Zustimmung, sondern auch in den eigenen Reihen.

Rückendeck­ung für Gabriel kam am Montag von SPD-Vizechef Ralf Stegner. Der Parteichef habe den ersten Zugriff auf die Kanzlerkan­didatur: „Wenn sich Sigmar Gabriel dazu entschließ­t, hat er unsere volle Unterstütz­ung“, versichert­e Stegner. Auch die mächtige NRW-SPD hatte sich zuletzt für Gabriel als MerkelHera­usforderer stark gemacht.

Doch der SPD-Vorsitzend­e und Vizekanzle­r hält sich weiter bedeckt, wartet ab. Schließlic­h hat auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel bisher offen gelassen, ob sie 2017 erneut für die Union antreten wird.

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DPA-BILD: NIETFELD Zwei Männer, ein Posten: Sigmar Gabriel (links) und Martin Schulz konkurrier­en um die Kanzlerkan­didatur.

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