Zustimmung für Schulz wächst
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur reißt nicht ab
BERLIN – Gerade noch sah es noch so aus, als sei Sigmar Gabriel die Kanzlerkandidatur nicht mehr zu nehmen. Nach den für die SPD glimpflich verlaufenden Landtagswahlen und der Art und Weise, wie der SPD-Chef seiner Partei die Zustimmung zum umstrittenen Handelsabkommen Ceta abgerungen hatte, schien es nur noch um das Wann und nicht mehr um das Ob seiner Kür zu gehen. Doch plötzlich melden sich beinahe täglich immer mehr Genossen, die sich für Martin Schulz stark machen, den Präsidenten des Europäischen Parlaments. Ob SPDLandeschefs, Ministerpräsidenten oder Vertreter der Parlamentarischen Linken – der Name Schulz ist in aller Munde.
Eigentlich sollte die K-Frage erst Anfang 2017 beantwortet werden. „Die SPD hat einen Fahrplan, wie sie ihren Kanzlerkandidaten bestimmt, und an diesen Fahrplan halten wir uns alle“, versichert Schulz. Gabriel hält sich weiter bedeckt, zögert. Schulz hingegen macht Werbung in eigener Sache und spürt Rückenwind, wird gar bereits als Favorit auf den Kandidatenposten gehandelt. Schulz’ Amtszeit an der Spitze des EU-Parlaments würde wie mit den Konservativen vereinbart im Januar enden, sollte es beim Widerstand der EVP gegen eine Verlängerung bleiben.
Ob Martin Schulz als Kanzlerkandidat geeignet wäre? „Sicher!“, antwortete jetzt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in einem Interview und lobt seinen Parteifreund in den höchsten Tönen. Schulz sei in Brüssel einer der meist geachteten Politiker, einer mit internationaler Erfahrung, einer, der die große Gabe habe, zu begeistern, lobt Landesvater Weil. „Das gibt es gegenwärtig nicht so häufig“, schwärmt der SPD-Mann regelrecht. Und Sigmar Gabriel? Auch zu seinem Parteichef fällt Weil „viel Positives ein“. Er kenne nur wenige Menschen, die ihm das Zeug zum Kanzler absprechen würden. Dennoch: Ob Gabriel als Kanzlerkandidat antreten wolle oder nicht, sei „eine schwierige persönliche Entscheidung“, die er in aller Ruhe treffen sollte, rät Weil.
Gefragt, ob 2017 wie einst 1998 mit Gerhard Schröder wieder ein Niedersachse Kanzler werden müsse, antwortet Weil zweideutig: „Er muss nicht Kanzler werden, weil er Niedersachse ist.“
Erst kürzlich hatte die Landesgruppe der niedersächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Vorbehalte gegen eine Kanzlerkandidatur Gabriels geäußert. Von einer „Bloßnicht-Gabriel-Bewegung“ist da plötzlich in den Reihen der Genossen die Rede. Gabriel sei zu sprunghaft, auch sei es ihm nicht gelungen, die SPD aus dem Umfragekeller herauszuholen und seine niedrigen persönlichen Zustimmungswerte zu verbessern, so die Kritik. Laut Umfragen mangelt es dem SPD-Vorsitzenden nicht nur bei den Wählerinnen und Wählern an Zustimmung, sondern auch in den eigenen Reihen.
Rückendeckung für Gabriel kam am Montag von SPD-Vizechef Ralf Stegner. Der Parteichef habe den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur: „Wenn sich Sigmar Gabriel dazu entschließt, hat er unsere volle Unterstützung“, versicherte Stegner. Auch die mächtige NRW-SPD hatte sich zuletzt für Gabriel als MerkelHerausforderer stark gemacht.
Doch der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler hält sich weiter bedeckt, wartet ab. Schließlich hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bisher offen gelassen, ob sie 2017 erneut für die Union antreten wird.