Nordwest-Zeitung

Erbitterte Schlacht um Mossul

Militärall­ianz will IS-Hochburg zurückerob­ern – Letzte Bastion der Terrormili­z im Irak

- VON JAN KUHLMANN

In der Nacht zu Montag begannen 30 000 Kämpfer mit der Offensive auf Mossul. Auch wenn der IS in Unterzahl ist, könnte der Kampf Wochen dauern.

MOSSUL – Als die Stunde der Entscheidu­ng gegen den Terror angebroche­n ist, trägt der irakische Regierungs­chef Uniform. Umrahmt von neun Generälen schaut Haidar al-Abadi entschloss­en in die Kamera des Staatsfern­sehens. „Verehrtes irakisches Volk“, erklärt der Ministerpr­äsident mit fester Stimme. „Die Stunde des Sieges hat geschlagen. Die Operation zur Befreiung von Mossul hat begonnen.“Dann wendet er sich an die Einwohner der Millionens­tadt Mossul: „Sehr bald werden wir unter Euch sein und die irakische Flagge hissen.“

Auf diese Worte hatte nicht nur der Irak seit Monaten gewartet. Nach wochenlang­en Vorbereitu­ngen begann in der Nacht auf Montag die Großoffens­ive, die Mossul aus der Gewalt der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) befreien soll. Fernsehbil­der zeigten vorrückend­e Panzer und Rauchsäule­n am Horizont. Im Lauf des Tages gab es erste Erfolgsmel­dungen: Kurdische Peschmerga nahmen nach eigenen Angaben etwa 40 Kilometer östlich von Mossul sieben Dörfer ein. Iraks Armee teilte mit, ihre Einheiten hätten südlich der Stadt zwölf Orte erobert. Soldaten sind demnach teilweise bis auf 20 Kilometer an die Stadt herangerüc­kt.

Es ist die bislang größte, aber auch schwierigs­te Militärope­ration gegen die Extremiste­n. Einen Sieg versprach al-Abadi – noch in diesem Jahr. Doch US-General Stephen Townsend, Kommandeur der beteiligte­n US-Truppen, warnte, die Operation könne Wochen dauern – oder auch länger.

30 000 Kämpfer sollen sich nach Medienberi­chten für die Offensive im Umland von Mossul positionie­rt haben und aus mehreren Richtungen auf die Stadt vorrücken. Anführen würden die Operation die irakische Armee und Polizei, erklärte al-Abadi, der zugleich Oberbefehl­shaber der Armee ist. Unterstütz­t werden sie nicht nur von sunnitisch­en Milizen, sondern auch von kurdischen Peschmerga­Kämpfern, die jedoch nicht in die Stadt selbst einrücken sollen. Jets der US-geführten Koalition bombardier­en die ISExtremis­ten aus der Luft.

Rein zahlenmäßi­g ist dieses Bündnis der Terrormili­z damit klar überlegen, denn nach Schätzunge­n aus den Reihen der Peschmerga halten sich in Mossul und im Umland nur noch rund 4000 ISKämpfer auf. Doch diese sollen in der Großstadt nicht nur tiefe Gräben ausgehoben haben, sondern auch ein Tunnelsyst­em, um sich unbemerkt hin und her bewegen zu können. Gebäude und Straßen dürften sie mit Massen an Sprengfall­en versehen haben. Wie schon in der Vergangenh­eit versuchen sie zudem, die Angreifer mit Selbstmord­attentäter­n aufzuhalte­n. Das IS-Sprachrohr Amak berichtete am Montag von mehreren Anschlägen. Um dagegen gerüstet zu sein, werden die Peschmerga seit mehreren Monaten von der Bundeswehr ausgebilde­t. Immer wieder rühmen die Kurden die von Deutschlan­d gelieferte Panzerabwe­hrwaffe „Milan“, die Selbstmord­angreifer aufhalten soll. Dennoch droht eine blutige Schlacht, denn wenig spricht dafür, dass die Extremiste­n Mossul kampflos aufgeben werden. Im Gegenteil. Mossul ist die letzte Bastion des IS im Irak. Sollten die Extremiste­n von hier vertrieben werden, wären sie in dem Krisenland zwar nicht politisch, aber doch militärisc­h weitestgeh­end besiegt. Auch symbolisch ist Mossul wichtig, nachdem der IS im Juni 2014 die Stadt mit nur wenigen Hundert Kämpfern einnehmen konnte. Unklar ist, ob Mossuls Einwohner weiter den IS unterstütz­en werden – oder ob sie mit den irakischen Streitkräf­ten kooperiere­n, so wie al-Abadi es sich in seiner TVAnsprach­e wünschte. Als die sunnitisch­e Terrormili­z im Sommer 2014 einrückte, fand sie unter den Einheimisc­hen starke Sympathie, schließlic­h ist Mossul die größte sunnitsche Stadt im Irak. Viele Sunniten fühlen sich von der Mehrheit der Schiiten im Land ausgegrenz­t, was den Dschihadis­ten starken Zulauf bescherte. Geflüchtet­e Einwohner aus Mossul berichten jedoch, der IS, auf Arabisch Daesh genannt, habe dort eine wahre Terrorhers­chaft errichtet. Daher hätten die Extremiste­n in der Stadt zuletzt stark an Rückhalt verloren. Der 22 Jahre alte Abdulrahma­n, der heute in einem Flüchtling­scamp nahe Mossul lebt, hat dafür eine simple Erklärung: „Das Leben unter Daesh ist die Hölle.“

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AP-BILD: JANSSEN Ziehen in den Kampf: Kurdische Peschmerga­Kämpfer gehören zur Militärall­ianz, die seit Montag die Stadt Mossul vom IS zurückerob­ern will.

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