Als Musikerin KZ-Gefangenschaft überlebt
Maraike Brüning zeichnet eindrucksvolles Porträt der jüdischen Pianistin Alice Herz-Sommer
OLDENBURG – „Und stellen Sie sich vor, sie sagt, sie sei der glücklichste Mensch auf der Welt!“Still ist es in der Exerzierhalle, ergriffen still. Sie sagt die Worte, zieht darauf den beigen Trenchcoat wieder an und verlässt die Bühne. Nachdenklich stimmt das Soloprogramm von Maraike Brüning, das die Pianistin auf Einladung des Vereins der Musikfreunde Oldenburg (VMO) am Samstagabend in der Exerzierhalle präsentiert hat.
In einer anregenden Kombination aus Inszenierung und Vortrag, eingebettet in die Musik Frédéric Chopins, gibt Brüning eindrucksvolle Einblicke in das künstlerische Schaffen und Leben der jüdischen Pianistin Alice HerzSommer. Mit einer begeisternden Ausstrahlung berichtet sie von ihrer Begegnung mit der 2014 im Alter von 110 Jahren verstorbenen Künstlerin, erzählt von ihrer Recherche, lässt Inhalte szenisch zum Leben erwachen und illustriert Erzähltes in live entstehenden Sand-Licht-Projektionen. Mit sehr lebendigem Spiel, viel Klarheit und Ausdruck trumpft Brüning in der Musik Chopins auf. Feine Klangbilder zeichnet sie mit der Etüde op. 25 Nr. 1 oder auch dem vielgehörten Nocturne cisMoll. Packend und aufwühlend klingt die Etüde op. 10 Nr. 12 mit dem Beinamen „Revolutionsetüde“. Weniger nach Revolution, dafür schmerzvoll und zerrissen wirkt die Musik unter Brünings Händen.
Dass gerade die letzte Komposition es war, mit der Alice Herz-Sommer zurück ins Leben fand, nachdem sie die Deportation ihrer Mutter durch die Nazis machtlos miterleben musste, kann man beim Hören und auch beim Spielen kaum unberücksichtigt lassen. Die Musik war Herz-Sommers Leben, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Als Musikerin überlebte sie die Gefangenschaft im KZ Theresienstadt und hielt sich bis ins hohe Alter an ihrer Kunst fest. Dass sie nach all den schrecklichen Erfahrungen eine so unerschütterliche Lebensfreude ausgestrahlt hat, verdankt sie, so Brüning, nicht zuletzt der Tatsache, dass sie „die Musik zum Inhalt ihres Lebens gemacht hat“.
Man meint, Brüning legt dem Publikum die Lebensgeschichte einer Freundin nahe, tief bewegend, dabei keinesfalls rührselig. Bezwingend ist ihre Begeisterung, mit der sie vermittelt. Und ergreifend ist schließlich die Erkenntnis, dass eine Frau am Ende einer solchen Lebensgeschichte von sich sagen kann, sie sei der glücklichste Mensch auf der Welt.