Mitschüler nannten ihn liebevoll „Fufu“
Vor 100 Jahren fiel Bernhard Ruhstrat im Ersten Weltkrieg – Bewegte Jahre in China
Bernhard Rustrat entstammte einer bekannten Oldenburger Juristenfamilie. Als Jugendlicher lebte er in China und besuchte die Schule in Tsingtau, heute Qingdao.
OLDENBURG – Vor hundert Jahren, am 18. Oktober 1916, fiel der Oldenburger Vizefeldwebel Bernhard Ruhstrat in der Schlacht an der Somme während des Ersten Weltkrieges.
Bernhard entstammte der bekannten Oldenburger Juristenfamilie Ruhstrat. Der Großvater war Vizepräsident des Oberappellationsgerichtes in Oldenburg, Bernhards Onkel Franz war der letzte Ministerpräsident im Großherzogtum. Bernhards Vater Ernst ging nach seinem Studium auf Reisen, erst nach England und dann nach China. Dort wurde er Assistent beim Kaiserlichen Seezoll. 1890 heiratete er in Oldenburg, kurz darauf ging er mit seiner Frau Marie gemeinsam nach China. 1895 wurde Bernhard in Zhenjiang geboren.
Briefe an die Mutter
Alle sieben Jahre bekam Vater Ernst Heimaturlaub für zwei Jahre. Bernhard genoss diese Zeit in Oldenburg. Die Familie wohnte bei der Großmutter, und Bernhard und seine Geschwister gingen hier zur Schule.
1907 wurde Ernst von Shanghai nach Jiujiang am Yangzi-Fluss versetzt. Dort gab es keine Schule für ausländische Kinder. Die Mutter unterrichtete die kleinen Geschwister selbst. Doch Ernst Ruhstrat wollte seinem Sohn die bestmögliche Ausbildung geben. Und eine gute Schule für Knaben gab es in der deutschen Kolonie Tsingtau – heute: Qingdao. 2014 hatte sich Oldenburg dort mit einem eigenen Garten auf der weltgrößten Garten-Expo präsentiert. Unter dem damaligen Oberbürgermeister Gerd Schwandner hatte Odenburg regelmäßig Kontakte mit der Stadt.
Im Januar 1908 begleitete Marie Ruhstrat ihren Sohn bis Shanghai, dann fuhr er allein mit einem Postdampfer nach Tsingtau. Dort angekommen, schrieb er fast jeden Tag einen Brief an die Mutter. Er gewöhnte sich nur schwer an das Leben im Internat, er vermisste seine Familie. Mit den Mitschülern schlug er sich, und mit dem Leiter des Internats hatte er ewig Streit. Seine Briefe drücken eine tiefe Sehnsucht aus.
Vielen Briefen an die Mutter legte er Zeichnungen bei, damit sie sich alles genau vorstellen konnte. Er machte Skizzen vom Geld, von den Briefmarken, aber auch von den Dörfern. Er beschrieb das Leben der Chinesen, aber Kontakt mit den chinesischen Kindern hatte er nicht.
In den Ferien machte er sich allein auf den Weg zu seiner Familie nach Jiujiang. In Shanghai legte er stets einige Tage Station ein und wohnte bei Freunden. Bernhard genoss diese Ferienzeit. Er liebte Jiujiang und besonders das Dorf Guling, wo die Familie ein Sommerhaus in den Bergen gemietet hatte. Der von ihm gezeichnete Stadtplan von Guling existiert noch.
Wenn er wieder nach Tsingtau zurückkehrte, klangen die ersten Briefe voller Heimweh, seine Unzufriedenheit wurde immer größer. Er machte sich Gedanken über seinen späteren Beruf. Er träumte davon, Journalist beim „Guten Kameraden“zu werden. Oder Kaufmann. Alles war ihm recht, nur nicht in Tsingtau bleiben.
Skizzen im Landesarchiv
Die Eltern bemerkten, wie unglücklich ihr Sohn war und beschlossen, dass Bernhard sein Abitur im ostfriesischen Leer machen sollte. 1910 trat Bernhard die Reise von Tsingtau über Shanghai nach Bremerhaven an. Allein. Auch diese Rückreise beschrieb er sehr ausführlich. In jedem Hafen schickte er einen Brief an die Mutter. In den Häfen wartete auch Post von der Familie; als er am 3. August seinen 15. Geburtstag im Hafen von Penang feierte, lag dort schon ein Überraschungsbrief.
Im März 1913 legte er am Königlichen Realgymnasium in Leer sein Abitur ab. Von den Mitschülern wurde er liebevoll Fufu in Anlehnung an seine Zeit in China genannt. Dass er ebenso wie sein Vater viel zeichnete, lag wohl an den Genen, denn sein Ururgroßvater war der Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein.
Bernhard Ruhstrat starb mit 21 Jahren – sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Leer. Seinen Traum, die Lebensgeschichte der Familie zu publizieren, konnte er nicht mehr verwirklichen. Doch seine Briefe und Skizzen in seinem angelegten Privatarchiv machen ihn unvergessen und lagern heute im Niedersächsischen Landesarchiv.