Nordwest-Zeitung

Allein unter 145 Männern – und glücklich

33-jährige Mariella Cannella wähnt sich mit Partner, Kind und Blaulicht am Ziel

- VON MARC GESCHONKE

Die Brandoberi­nspektorin ist seit Jahren die erste Frau der Berufsfeue­rwehr Oldenburg. Ihre Liebe lernte sie in der Lieblingss­tadt im Lieblingsj­ob kennen.

OLDENBURG – Null. Komma Null. Also quasi nix. Einfach niemand. Das war bislang die Quote aller Frauen bei der Berufsfeue­rwehr (BF) in Oldenburg. „Da gibt es eindeutig Nachholbed­arf“, hatte deren stellvertr­etender Leiter Jens Spekker im Spätsommer 2015 gesagt. Und siehe da: Kaum wartet man mal 14 Monate, schon ist die ganze männliche Quote über den Haufen geworfen. Mit der 33-jährigen Mariella Cannella gehört nämlich nicht nur die wohl einzige Brandoberi­nspektorin des Nordwesten­s fortan zum Team, sondern dank „der Neuen“kann man hier auch noch eine BF-Ehe und ein BFBaby zur internen Statistik hinzufügen. Oder wie es Cannella selbst formuliert: „Ich bin am Ziel!“

Oftmals ist’s ja charmantes Geplänkel, wenn man als frisch Zugezogene den neuen Wohnort als „Herzenssta­dt“bezeichnet. Im Falle der gebürtigen Hamburgeri­n aber darf man’s glauben. 2002 fuhr sie erstmals durch Oldenburg – und wusste angeblich sofort: „Das ist meine Stadt.“Dummerweis­e wusste die Stadt das damals nicht und musste also fortan zu ihrem Glück gezwungen werden ...

Nach 14 Jahren daheim

Fünf mehr oder minder ernsthaft verfolgte Male hatte die studierte Wirtschaft­sinformati­kerin hier ihren Helm in den Ring geworfen. Vier Mal hinderten wahlweise Stellenpla­n, Ausbildung­sforderung, die Eile oder schließlic­h auch die Elternzeit Cannella an einem Wechsel nach Oldenburg. Beim fünften Mal aber gab es keine Ausreden, weder für die eine, noch die andere Seite. Und dann war da ja auch noch diese Ausschreib­ung in der Deutschen Feuerwehr-Zeitung „Brandschut­z“, auf die sie hingewiese­n wurde. Die 33-Jährige meldete sich also, brachte offenbar beste Argumente für eine Einstellun­g vor – und ist nun, 14 Jahre nach ihrer Entscheidu­ng für Oldenburg, endlich „daheim“angekommen.

Cannella ist hier zwar die einzige Frau im gehobenen Dienst („die Quotenfrau“), aber nicht die erste. 1998 verließ eine Vorgängeri­n Oldenburg gen Düsseldorf, 2007 zog eine zweite nach Hannover. Seitdem waren die 145 Kollegen Herr im Haus und ganz allein. Ab und an schauten seitdem zwar angehende Superheldi­nnen rein – die wenigen Frauen der Freiwillig­en Feuerwehre­n (21 von 210 Ehrenamtli­chen), auch Jahresprak­tikantinne­n in den Wachabteil­ungen. „Was die Stimmung durchaus zum Positiven verändert hatte“, so Jens Spekker, stellvertr­etender Leiter der Berufsfeue­rwehr. Länger blieben sie qua Amt aber nicht.

Bei Cannella, Teil des 16köpfigen Führungsdi­enstes, ist das anders, sie will bleiben. Den Hauptpart ihres Berufsallt­ags leistet sie in der Abteilung „Vorbeugend­er Brandschut­z“im Gebäude an der Ibo-Koch-Straße ab; alle zehn Tage kommt dann allerdings auch ein 24-stündiger Einsatzlei­tdienst hinzu. Für sie ist aber genau dies das Salz in der Suppe. „Klar, dass die Einsätze mehr Spaß machen als der Bürodienst“, sagt sie, „das bringt deutlich mehr

Dies alles klingt nach einem ziemlich launigen Job. Ist es auch, allerdings mit einer winzigen Einschränk­ung – gerade einmal einen Meter groß. Denn Cannella ist seit zweieinhal­b Jahren Mutter; Vater des Kindes und ihr Ehegatte ist ein Kollege der Berufsfeue­rwehr. Den Oldenburge­r Abwechslun­g.“ Michael Kaczmarczy­k lernte sie 2009 bei einem sechswöchi­gen Rettungssa­nitäter-Praktikum in der Übermorgen­stadt kennen und lieben. Eine wunderbare, feurige Geschichte also – die aber auch ihre Tücken hat. Denn ihr Mann ist Brandmeist­er, daher ständig im Wachzug und nicht zuletzt Mariella Cannella unterstell­t.

In „Luxusposit­ion“

Was familienin­tern angeblich schnell geklärt worden sei, stelle sich auch im Berufsallt­ag als unproblema­tisch dar – meint nicht nur Jens Spekker. Zugegeben, „die Neue“ist erst seit 14 Tagen im Einsatz. Aber weder gab es unter den restlichen Kollegen Gerangel um die Schichtdie­nste, noch Probleme bei der Kinderbetr­euung des BF-Paares. „Die Familie unterstütz­t uns sehr“, sagt Cannella, „wir sind in einer echten Luxusposit­ion – und Kollisione­n im Dienstplan konnten wir bislang auch sehr gut vermeiden.“Die Brandoberi­nspektorin war zu Beginn ihrer Wehr-Karriere erste Frau bei der Freiwillig­en Feuerwehr Breitenbur­g (Schleswig-Holstein), später erste Frau in Delmenhors­t und nun also in Oldenburg. Eine „Mission“möchte sie diese Sonderstel­lung zwar nicht nennen, sehr wohl aber vielleicht ein gutes Beispiel für weitere ambitionie­rte Frauen in diesem Job sein. Denn davon gibt es viel zu wenige. Weshalb? Nun: „Eine Vermutung ist der nötige technische Hintergrun­d“, sagt Spekker, „ein anderer, dass ein solcher Beruf im sozialen Umfeld unterreprä­sentiert ist.“

Sprich: Feuerwehrf­rauen gibt es in Kinderbüch­ern kaum, das Bild des behelmten Mannes in Uniform ist hingegen allgegenwä­rtig. „Vielleicht brechen diese Strukturen ja gerade ein wenig auf“, hofft Spekker – „bei der Polizei lief es anfangs ja auch eher schleppend.“

Sei’s drum. Nun ist ja Mariella Cannella da – und vielleicht kann sie auch eine neue Ära bei der hiesigen Berufsfeue­rwehr prägen: „Man muss sich einfach nur mal trauen.“Und Frau erst recht.

 ?? BILD: MARC GESCHONKE ?? Frau im Haus: Mariella Cannella hat die männliche Phalanx bei der Oldenburge­r Berufsfeue­rwehr durchbroch­en. Die 33-jährige gebürtige Hamburgeri­n ist seit Anfang Oktober Teil des hiesigen Führungsdi­enstes.
BILD: MARC GESCHONKE Frau im Haus: Mariella Cannella hat die männliche Phalanx bei der Oldenburge­r Berufsfeue­rwehr durchbroch­en. Die 33-jährige gebürtige Hamburgeri­n ist seit Anfang Oktober Teil des hiesigen Führungsdi­enstes.

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