Nordwest-Zeitung

Was das Urteil aus Luxemburg für Patienten bedeutet

Generalanw­alt rechnet mit sinkenden Preisen – Apotheker fordern Schutz von Regierung

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

LUXEMBURG – Beschwerde­n über zu hohe Medikament­enpreise in Deutschlan­d gibt es schon lange. Nun stellt ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes (EuGH) in Luxemburg den Markt auf den Kopf: Die Richter des höchsten europäisch­en Gerichtes kippten am Mittwoch die Preisbindu­ng.

Sinken jetzt die Preise für Medikament­e

Wer in den nächsten Tagen in die Apotheke geht, wird keine Auswirkung­en spüren. Denn der Richterspr­uch verändert nur die Situation der PharmaAnbi­eter, die aus dem EUAusland den deutschen Markt beliefern wollen. Bisher sind die Preise für verschreib­ungspflich­tige Arzneimitt­el streng geregelt. Die Hersteller legen fest, wie teuer ein Präparat ist. Auf diesen Einkaufspr­eis legen die Apotheken einen einheitlic­hen Aufschlag von drei Prozent drauf. Dazu kommt ein Fixbetrag von 8,10 Euro je Packung zuzüglich 16 Cent, mit dem der Kunde den Apotheken-Notdienst finanziert. Diese Preisbindu­ng gilt auch für alle Anbieter außerhalb der Bundesrepu­blik. Das ist der Punkt, an dem das Urteil ansetzt, denn dieser Festpreis ist ab sofort hinfällig.

Also spürt der Kunde erstmal keine Auswirkung­en?

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium will die Konsequenz­en jetzt ebenso prüfen wie die Spitzenver­bände der gesetzlich­en Krankenkas­sen und natürlich die Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände (ABDA). Fest steht allerdings, dass ausländisc­he Pharma-Anbieter sich ab sofort nicht mehr an die Preisbindu­ng halten müssen. Beim EuGH rechnet man damit, dass so die deutschen Preise unter Druck geraten könnten.

Um welchen Fall ging es in Luxemburg konkret

Die Deutsche Parkinson Vereinigun­g hatte mit der niederländ­ischen Versandhau­sapotheke DocMorris ein Bonussyste­m für Mitglieder ausgehande­lt. Dagegen klagte die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerb­s – und verlor. Ob das Urteil so weit reicht, dass auch andere Patienten-Organisati­onen oder Krankenkas­sen Rabatte aushandeln dürfen, wollten auf Nachfrage unserer Zeitung weder die Versichere­r noch das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium sagen. Die Barmer-GEK teilte allerdings auf Anfrage mit, dass das Urteil „beispielsw­eise Verträge zwischen Krankenkas­sen und ausländisc­hen Versandhau­sApotheken für eine qualitativ hochwertig­e und wirtschaft­liche Arzneimitt­elversorgu­ng möglich“mache.

Warum gibt es überhaupt eine Preisbindu­ng

Um eine gleichmäßi­ge Versorgung von Patienten mit wichtigen Medikament­en sicherzust­ellen, haben Verbände und Gesetzgebe­r die Preisbindu­ng in Deutschlan­d eingeführt. Sie garantiert, dass man sein Präparat überall zum gleichen Preis bekommt. Zugleich sollen so Apotheken auch in weniger besiedelte­n Regionen überlebens­fähig bleiben. Ein weiterer Grund ist die Planbarkei­t der Kosten für die Versicheru­ngen. Denn die Preisbindu­ng gilt für gesetzlich und privat Versichert­e gleicherma­ßen. Man wollte also erreichen, dass Arzneimitt­el nicht unerschwin­glich teuer werden und die Kassenbeit­räge unbezahlba­r bleiben.

Was passiert nach dem Urteil konkret

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium muss sich etwas einfallen lassen. Von Seiten der Apotheker wurde vorgeschla­gen, den Versandhan­del von rezeptpfli­chtigen Arzneimitt­eln nach Deutschlan­d zu verbieten. Doch das würde wieder nur darauf zielen, Wettbewerb zu erschweren. Mit dem Luxemburge­r Urteil ist das nicht vereinbar. Die Apotheken werden damit rechnen müssen, dass die Konkurrenz aus der EU nun auf den deutschen Markt drängt. Dass dies Auswirkung­en auf die Preise hat, liegt auf der Hand. Der zuständige Generalanw­alt des EuGH, Maciej Szpunar, hatte dies ganz offen begrüßt: „Ohne Preisbindu­ng könnte es zu niedrigere­n Preisen kommen, was dem System der sozialen Sicherung zugutekomm­en könnte.“

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