Sender setzen auf Kerber-Effekt
Warum ARD und ZDF die Weltmeisterschaft in Singapur übertragen
Am Sonntag startet für die Öffentlich-Rechtlichen ihr Kerber-Experiment. Wenn die Weltranglistenerste nicht vor den TV lockt – wer dann?
MAINZ – Am Sonntag beginnt das Kerber-Experiment. Nach jahrelanger Pause zeigen ARD und ZDF mit der WTA-Weltmeisterschaft der besten acht Spielerinnen der Saison wieder ein großes Tennisturnier. Sie wollen testen, ob es durch Angelique Kerber in Deutschland einen neuen Boom gibt. Wenn Tennis-Übertragungen mit ihr nicht funktionieren – mit wem dann?
Was hoffen ARD und ZDF
„Wir hoffen, dass dieses Angebot die entsprechende Akzeptanz und Resonanz finden wird und Angelique Kerber damit die verdiente Aufmerksamkeit bekommt“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Was er nicht sagt: Sind die Quoten trotz Kerber schlecht, dürfte es für lange Zeit keine weiteren TennisÜbertragungen im öffentlichrechtlichen Fernsehen geben.
Was sagt Kerber dazu
Die Weltranglisten-Erste wünscht sich durch die Übertragung den gegenteiligen Effekt. „Ich hoffe, das ist nur der Anfang und keine einmalige Angelegenheit“, sagte Kerber. „Es gibt so viele Turniere, die es wert sind, vor einem größeren Publikum gezeigt zu werden“, sagte die 28-Jährige, „und ich hoffe, dass das Interesse nach Singapur noch größer sein wird“.
Warum steigen ARD und ZDF nun wieder ein
Bei den Australian Open in Melbourne und bei den US Open in New York hat die Kielerin 2016 als erste deutsche Grand-Slam-Siegerin seit Steffi Graf triumphiert. In Wimbledon und bei den Olympischen Spielen in Rio stand sie zudem im Endspiel. „Mit den Liveübertragungen der Spiele von Angelique Kerber wollen wir ihre grandiosen Erfolge in diesem Jahr würdigen und zugleich dem Wunsch vieler Tennisfans nachkommen, diese Spiele in den öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten zu sehen“, sagte Gruschwitz. Wie viele Anhänger es tatsächlich sind, wird sich zeigen, wenn bei Kerbers Auftaktpartie das ZDF und anschließend die ARD übertragen darf. Für den Fall der Fälle sind auch Halbfinale (ARD) und Endspiel (ZDF) verteilt.
Welchen Stellenwert hat Tennis im Fernsehen
Dass Tennis zuletzt kein Quotengarant war, lässt sich daran erkennen, dass ProSiebenSat.1 kein Interesse hatte, aus Singapur zu übertragen. Das Unternehmen verkaufte die Rechte über die Agentur Lagardere an ARD und ZDF weiter. ProSiebenSat.1 hat zuletzt verschiedene Tennis-Pakete erworben – die Quoten waren jedoch enttäuschend.
Das erste Spiel von Kerber nach dem Australian-OpenSieg sahen im Februar beim Fed-Cup-Viertelfinale gegen die Schweiz nur 440 000 Menschen bei Sat.1. Die folgende Kerber-Partie beim Nischensender Sat.1 Gold verfolgten nur 190 000 Zuschauer.
ARD und ZDF haben seit einigen Jahren keine Live-Berichte von Tennisturnieren im Programm. Die Rechte liegen bei Sky (Wimbledon) und Eurosport (Australian Open, French Open, US Open). Mit Kerbers Sieg im Finale der US Open erreichte Eurosport dank 1,06 Millionen Zuschauern einen Achtungserfolg. ARD und ZDF wären mit einer solchen Zahl kaum zufrieden.