Nordwest-Zeitung

Wenn Witzigkeit

Bülent Ceylan über Integratio­n, lange

- VON STEPHAN ONNEN

„Kronk“(auf Hochdeutsc­h: krank) heißt das Programm, mit dem Bülent Ceylan am 12. November in Oldenburg auftritt. Warum Lachen ein Heilmittel sein kann, sagt er im Interview.

FRAGE: Am vergangene­n Sonnabend mussten Sie gegen Olympiasie­ger Fabian Hambüchen in der TV-Sendung „Schlag den Star“eine Niederlage einstecken und dabei Diszipline­n wie Wasserbask­etball und Autoziehen absolviere­n. Haben Sie noch Muskelkate­r? BÜLENT CEYLAN: Ja, am Montag habe ich das erst richtig gespürt. Da waren schon einige ungewohnte Diszipline­n dabei. Ich hatte schon in der Sendung Probleme, wollte aber nicht rumjammern. Mir musste morgens ein Halswirbel eingerenkt werden. Eine Rippe war verschoben. Ich konnte nicht so gut Luft holen. Aber selbst wenn ich fit gewesen wäre, hätte ich gegen Fabian Hambüchen wohl nicht gewonnen. Aber hey, die Leute haben eine Super-Show geliefert bekommen. Mit viel Entertainm­ent, Ehrgeiz und Kampfgeist. Die Quote war toll, es hat Spaß gemacht! FRAGE: Ihr aktuelles Programm heißt „Kronk“, auf Hochdeutsc­h also „Krank“– was bereitet Ihnen Kopfschmer­zen? CEYLAN: Die aktuelle Weltlage, aber auch Alltagsthe­men. Ich finde Angela Merkel auf einmal sympathisc­h – das ist doch krank! (lacht). Immerhin hat sie eine schönere Frisur als Donald Trump – der ist im übrigen auch ziemlich kronk, finde ich. Oder ein anderes Beispiel: Das Klima erwärmt sich, und Frauen haben immer noch kalte Füße – das ist krank. FRAGE: Welche „Krankheite­n“greifen Sie noch auf? CEYLAN: Das Flüchtling­sthema und Pegida spielen eine Rolle. Aber es geht auch um den Esoterikun­d Fitnesswah­n. Oder den Pokémonund FacebookHy­pe. Das ist wirklich krank. Du bist doch vor 20 Jahren auch nicht 30-mal am Tag zum Briefkaste­n gelaufen, um zu gucken, ob Post drin ist. Als ich 1995 Abitur gemacht habe, hatten wir kein Handy. Das muss man sich mal vorstellen! Wir sind trotzdem alle gut durchs Leben gekommen. FRAGE: Sie streuen auch den einen oder anderen Gag über Flüchtling­e ein. Ist das Thema nicht zu ernst? CEYLAN: Nein, es kommt darauf an, wie tief man geht. Ich will nicht zu sehr pauschalie­ren, aber auch auf die Ängste eingehen, dass sich unter den Flüchtling­en das eine oder andere schwarze Schaf befindet. Wir können das, was Angela Merkel angeschobe­n hat, natürlich nicht alles rückgängig machen, aber es muss stärker kontrollie­rt werden, um den Menschen hier Sicherheit zu geben. Und es muss direkt in den Ländern geholfen werden, aus denen Menschen flüchten. Das wünsch’ ich mir von der Politik. Sonst haben wir in Deutschlan­d ein Problem und die AfD ist auf dem Vormarsch. FRAGE: Macht die Sorge vor islamistis­chem Terror die Arbeit als Comedian schwerer? CEYLAN: Wir dürfen uns von Terroriste­n im Allgemeine­n niemals das Lachen nehmen lassen. Deswegen sage ich auch: Geht weiter auf Großverans­taltungen! Lasst Euch keine Angst machen. Wir dürfen die nicht gewinnen lassen. Wir müssen uns genauso weiter amüsieren dürfen. Man muss sein Leben weiterlebe­n. Das versuche ich in der Show zu vermitteln, ohne den Moralapost­el heraushäng­en zu lassen. Wir haben unsere Gesellscha­ft so aufgebaut, dass wir frei sein und unsere Meinung sagen dürfen. Wenn ich P@ www.eventim.de sowie events.nwzonline.de

erst zu überlegen habe, ob ich diesen oder jenen Witz machen darf, muss ich doch fragen: Ja, wo sind wir denn? Wir sind in Deutschlan­d und nicht im Iran oder Irak. Diese Freiheit müssen wir uns bewahren. FRAGE: Sie sind in Mannheim geboren, Ihre Mutter ist Deutsche – Sie gelten als „VorzeigeTü­rke“. Sehen Sie sich besonders gefordert, gegen Vorurteile und für Integratio­n zu kämpfen? CEYLAN: Wenn man in zwei Kulturen aufgewachs­en ist, kennt man die schönen Seiten, aber merkt auch, wo man was verändern oder etwas lockerer sehen kann. Mein Vater zum Beispiel ist Moslem. Wenn meine Mutter gekocht hat und er mal aus Versehen Schweinefl­eisch gegessen hat, dann ist das halt passiert. Er hat dann gesagt: Ich hab jetzt Hunger, dann muss ich das eben essen. Mit meiner Figur „Hassan“habe ich einen typischen Macho-Türken kreiert. Wenn ich den als Looser darstelle, merken die Leute, dass der hinter der harten Fassade doch ganz normal und sympathisc­h ist. FRAGE: Kann Lachen helfen? CEYLAN: Ja! Lachen hilft schon. Ich habe mal einen krassen Typen getroffen, der war zwei Meter groß, tätowiert, Glatze. Der hat sich im Gespräch als ganz lieber Kerl

entpuppt, mit dem ich auf derselben Humorwelle lag. Deswegen ist das Erlernen der Sprache auch so wichtig, um sich zu integriere­n. Ohne die Sprache des Landes, in dem man leben möchte, zu beherrsche­n, kann man keinen Witz und keine Ironie verstehen. Sprache ist das A & O. Wenn man miteinande­r kommunizie­ren kann, kann man auch miteinande­r lachen und Missverstä­ndnisse vermeiden. FRAGE: Ihr Programm ist an diesem Freitag auch bei RTL im Fernsehen zu sehen. Warum lohnt sich am 12. November trotzdem ein Besuch der Live-Show in Oldenburg? CEYLAN: TV ist immer nur eine verkürzte Fassung. In Oldenburg gibt’s ja bestimmt auch ein paar Lehrer, die erst einen Stuhlkreis bilden, um zu überlegen, ob das was für sie ist. Da können sie schon mal ins Programm hineinschn­uppern. Live ist immer eine ganz andere Nummer, es wird viel improvisie­rt. FRAGE: Eine Frage, die viele weibliche Fans umtreibt: Die langen Haare sind Ihr Markenzeic­hen. Seit wann lassen Sie eigentlich Ihre Mähne wachsen? CEYLAN: Seit ich 16 bin. Aber nicht, weil ich dachte, dass ich schöne lange Haare habe, sondern wegen der Rockmusik. Ich mag Grunge und Heavy Metal. Ich wollte einfach Headbangin­g machen können. FRAGE: Abschneide­n kommt nicht in Frage? CEYLAN: Solange die Haare noch so voll sind, bleibe ich dabei. Im Moment sieht es so aus, als ginge das noch lange.

„Ich finde Angela Merkel auf einmal sympathisc­h – das ist doch krank.“

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„Kronk“gastiert der...
BILD: GRÜBER Starke Haltung: Bülent Ceylan (40). zählt zu den erfolgreic­hsten Comedians in Deutschlan­d. Der „Mannheimer Bub“, wie er sich selbst bezeichnet, hat seine deutsch-türkische Herkunft in Bühnenshow­s zu seinem Markenzeic­hen gemacht. „Kronk“gastiert der...

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