Nordwest-Zeitung

Frauen zu Tode gefoltert: Prozess beginnt

Ein Paar lockt mit Kontaktanz­eigen Opfer ins „Horror-Haus von Höxter“und quält sie

- VON FLORENTINE DAME

In dem sadistisch­en Spiel ging es um Macht und Unterwerfu­ng. Insgesamt gehen die Ermittler von acht Opfern aus.

HÖXTER – Die Berichte über das „Horror-Haus von Höxter“schockten Deutschlan­d: Es geht um einen der grausigste­n Kriminalfä­lle der vergangene­n Jahre. Ein geschieden­es Ehepaar soll mit Kontaktanz­eigen Frauen in sein Haus in Ostwestfal­en gelockt haben. Laut Anklage bauten die zwei Vertrauen auf und quälten die Opfer dann auf abscheulic­he Art. Zwei Frauen aus Niedersach­sen überlebten das Martyrium nicht. Der Mordprozes­s beginnt am Mittwoch am Landgerich­t Paderborn.

Das Verfahren gegen die beiden Angeklagte­n – sie ist heute 47 Jahre alt, er ein Jahr jünger – füllt weit über 3000 Seiten. Dort steht, was jahrelang hinter den Wänden eines etwas schäbigen Gehöfts im kleinen Dorf Höxter-Bosseborn passiert sein soll. Beweismitt­el aus einer akribische­n Spurensuch­e vor Ort sind beschriebe­n, Zeugenauss­agen, ein Geständnis – all das soll das geschieden­e Ehepaar Wilfried und Angelika W. des zweifachen Mordes durch Unterlasse­n überführen.

Im Kamin verbrannt

Der Prozess wird mindestens bis Ende März laufen. In dem sadistisch­en Spiel um Macht und Unterwerfu­ng sollen den Opfern büschelwei­se Haare ausgerisse­n worden sein. Sie seien an Heizkörper gekettet, geschlagen und getreten worden, berichtete ein Ermittler, als die Misshandlu­ngsfälle im Sommer aufflogen. Eine weitere Frau entkam, andere wurden zumindest bedroht, und so um Geld erleichter­t, so der ermittelnd­e Staatsanwa­lt Ralf Meyer.

Insgesamt gehen die Ermittler von mindestens acht Opfern aus, in weiteren Fällen laufen noch Ermittlung­en. Untersucht werde derzeit auch der Vorwurf einer Vergewalti­gung, bestätigt Meyer Informatio­nen des Nachrichte­nmagazins „Der Spiegel“. Die Frau soll im Jahr 2011 drei Wochen lang festgehalt­en, geschlagen und getreten worden sein.

Aus der Aussage der Angeklagte­n bei der Polizei ist bekannt, dass das Paar den Körper einer 33-Jährigen, die durch Misshandlu­ngen ums Leben gekommen sein soll, erst in die Tiefkühltr­uhe gesteckt, dann nach und nach zerstückel­t und im Kamin verbrannt haben soll. Nach den am Straßenran­d verstreute­n Überresten suchten Polizeihun­de vergeblich.

Wilfried W. schweigt

Ein Jahr und knapp neun Monate später waren es eine Autopanne und eine tödlich verletzte 41-Jährige, die dem Schrecken ein Ende setzten. Die Frau aus Bad Gandershei­m bei Hildesheim war durch wochenlang­e Misshandlu­ngen so mitgenomme­n, dass das Paar sie im April 2016 zurück nach Niedersach­sen bringen wollte. Unterwegs blieb dann das Auto liegen und sie entschiede­n sich, einen Notarzt zu rufen. Zwei Stunden später starb die Frau im Krankenhau­s. Die Polizei wurde eingeschal­tet – und stieß auf die Abgründe hinter dem Todesfall.

Monatelang war ermittelt worden. Die Polizei durchsucht­e jeden Quadratzen­timeter in dem Haus in Höxter, befragte Frauen, die sich nach Bekanntwer­den des Falles als mutmaßlich­e Überlebend­e der Misshandlu­ngen gemeldet hatten. Auch soll das angeklagte Paar manche Opfer nicht nur gefoltert, sondern auch um größere Summen gebracht haben. Die Sonderkomm­ission war auf 100000 Euro gestoßen, die die Tatverdäch­tigen von ihren Opfern erhalten haben sollen.

Vieles, was die Ermittler zu wissen glauben, stammt aus der Aussage der Angeklagte­n Angelika W.: Detaillier­t sagte sie aus, was sich in den dunklen Stunden in ihrem Haus abgespielt haben soll.

Wilfried W. schweigt gegenüber der Polizei.

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DPA-BILD: FRISO GENTSCH Polizeibea­mte tragen am 4. Mai Kartons aus dem Haus des beschuldig­ten Ehepaares in Höxter.

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