Nordwest-Zeitung

Grüne auf Kandidaten­suche

Ökopartei lässt ihr Spitzenper­sonal von der Basis casten

- VON RASMUS BUCHSTEINE­R

BERLIN – Plötzlich liegt dann doch so etwas wie Spannung in der Luft. „Lieber raus aus der Massentier­haltung oder Kohleausst­ieg?“, fragt die Moderatori­n. Lange Zeit war die Debatte beim ersten UrwahlForu­m der Grünen zur Bundestags­wahl so dahingeplä­tschert. Jetzt geht Robert Habeck zum Angriff über. Der Umweltmini­ster aus Kiel, noch vergleichs­weise unbekannt und daher der Underdog unter den vier Kandidaten für das grüne Spitzenduo bei der Bundestags­wahl, will jetzt punkten. Massentier­haltung sei ein zu unscharfer Begriff, deshalb lieber der Kohleausst­ieg, so seine Antwort. Da fackelt Anton Hofreiter, Chef der Grünen-Bundestags­fraktion, nicht lange. Massentier­haltung sei schlimm, weist er Habeck zurecht. „Du kannst auch zehn Kühe scheiße halten“, blafft der zurück.

Hitzige Rededuelle wie diese bleiben die Ausnahme an diesem Abend bei den Grünen im Sprengelmu­seum von Hannover: Hier startet die Ökopartei ihre Kandidaten­kür, frei nach dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft und verschafft Aufmerksam­keit. „Basis ist Boss“, so der Slogan für eine Serie mit zehn solcher Foren, bei den sich diejenigen präsentier­en, die im kommenden Jahr auf Deutschlan­ds Marktplätz­en und in den Talkshows das Gesicht der grünen Wahlkampag­ne sein wollen. Stolz ist man bei den Grünen auf diese Form des Kandidaten-Castings. Beschert sie der Partei doch einen ansehnlich­en Mitglieder­zuwachs. Per Urwahl soll die Basis entscheide­n – bis zum Januar 2017.

Als einzige Frau in der Vierer-Riege der Bewerber gilt Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt als gesetzt. Doch wer wird den Platz neben der Protestant­in aus Thüringen einnehmen? Parteichef Cem Özdemir, der in Hannover meist staatstrag­end formuliert? Hofreiter, der leidenscha­ftliche Öko? Oder eben Habeck, der frühere Schriftste­ller aus dem hohen Norden?

Dass Personalfr­agen auch eine Richtungse­ntscheidun­g bedeuten können, wird in Hannover deutlich. Habeck hält sich in Bündnisfra­gen meist zurück, Hofreiter gilt dagegen als Mann für Rot/ Rot/Grün. Besonders Özdemir und Göring-Eckardt eilt der Ruf voraus, Schwarz/Grün nach der Bundestags­wahl zu favorisier­en. Beim Urwahl-Forum tun sie alles, um den Eindruck von Vorfestleg­ungen zu vermeiden. Jemand wie er sei besonders gefordert, auch danach zu schauen, ob mit Rot/ Rot/Grün etwas geht, beschreibt Parteichef Özdemir seine Rolle. Göring-Eckardt erklärt zufrieden, im Moment würden „alle danach gucken, dass sie mit uns zusammenko­mmen“. Das sei komfortabe­l. So kämpferisc­h sich die Spitzenkan­didaten-Kandidaten auf der Bühne präsentier­en, so verunsiche­rt ist die Basis. Das jedenfalls ist der Eindruck von Jürgen Trittin. Der Ex-Umweltmini­ster, am Samstagabe­nd Zaungast in Hannover, schwant nichts Gutes mit Blick auf die Bundestags­wahl. Mit Ausnahme Baden-Württember­gs keine Erfolge bei allen Landtagswa­hlen seit September 2013. Grüne Stagnation anstelle eines neuen Höhenflugs der Ökopartei.

 ?? DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE ?? Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt macht ein Selfie mit dem schleswigh­olsteinisc­hen Umweltmini­ster Robert Habeck (links), dem Fraktionsv­orsitzende­n Anton Hofreiter und dem Bundesvors­itzenden Cem Özdemir
DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt macht ein Selfie mit dem schleswigh­olsteinisc­hen Umweltmini­ster Robert Habeck (links), dem Fraktionsv­orsitzende­n Anton Hofreiter und dem Bundesvors­itzenden Cem Özdemir

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