Nordwest-Zeitung

Wem vier Gehälter nicht reichen

Ex-Kommissare beziehen trotz neuer Jobs Übergangsg­elder

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

BRÜSSEL – Auf drei Seiten listet Kommission­spräsident JeanClaude Juncker im Internet auf, wo er bisher wie lange tätig war. Die Erklärung des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger umfasst sogar sechs Seiten. Transparen­z wird großgeschr­ieben – zumindest so lange, wie die 28 Damen und Herren im Amt sind. Was dann folgt, unterliegt nicht selten dem Schleier des Schweigens.

Bis zu drei Jahre lang beziehen die ehemaligen Kommissare zwischen 40 und 60 Prozent ihres Grundgehal­tes weiter. Das liegt zwischen 20 832 und 25554 Euro im Monat, so dass selbst ein Kurzzeit-Kommissar mit wenig herausgeho­bener Stellung auf ein Jahressalä­r von rund 100000 Euro kommt – 36 Monate lang. Unabhängig davon, ob er inzwischen einen neuen Job hat.

Darüber spricht man in Brüssel nicht gerne, die Wochenzeit­ung „Die Zeit“musste gar mit Klage drohen, um zu erfahren, was die bis 2014 amtierende Mannschaft des damaligen Kommission­spräsident­en José Manuel Barroso heute noch vom Steuerzahl­er bezieht: 16 der damals 28 Kommissare lassen sich noch von der EU finanziere­n.

Karel de Gucht, Belgier und bis 2014 für Handelsfra­gen zuständig, bezieht beispielsw­eise seit seinem Ausscheide­n Übergangsg­elder von 124995 Euro pro Jahr, obwohl er mittlerwei­le gleich vier neue Jobs hat: beim Stahlgigan­ten Arcelor-Mittal, dem belgischen Kommunikat­ionsriesen Proximus sowie zwei privaten Vermögensv­erwaltungs­gesellscha­ften sitzt er in führenden Positionen. Allein bei Arcelor dürften sich – die Zahlen von 2015 zugrunde gelegt – seine Einkünfte auf rund 144 000 Euro im Jahr belaufen.

Kaum weniger pikant sind die Tätigkeite­n der ehemaligen Klimaschut­zkommissar­in Connie Hedegaard. Sie kam beim beim Klima- und Kältetechn­ikkonzern Danfoss unter. Dessen zwölf Aufsichtsr­atsmitglie­der erhielten im Vorjahr 800 000 Euro für ihre Tätigkeit. Daneben lässt auch sie sich (übrigens zum günstigen EU-Steuersatz von 23 Prozent) von der EU weiter pro Jahr 124 995 Euro überweisen – Geld, was eigentlich dazu dienen soll, die sogenannte Abkühlungs­phase zu überstehen. Denn Kommissare dürfen entspreche­nd ihrer Ethikregel­n bis zu 18 Monate nicht in die Privatwirt­schaft wechseln, wenn der neue Job sich mit ihrem früheren Aufgabenge­biet überschnei­det.

Gekürzt wird das Übergangsg­eld erst dann, wenn inklusive neuer Einkünfte mehr unterm Strich bleibt, als der Betreffend­e früher als Kommissar erhalten hat. Eine Gummi-Regelung, wie zwei besonders eklatante Fälle zeigen: Ferdinando Nelli Ferocis und Jacek Dominiks Amtszeit betrug 2014 jeweils gerade mal dreieinhal­b Monate. Trotzdem streichen sie seit ihrem Ausscheide­n vor gut 20 Monaten Übergangsg­eld ein.

Wenigstens diese Praxis wurde inzwischen korrigiert. Die Haushaltse­xpertin des Europäisch­en Parlamente­s, Ingeborg Gräßle (CDU), verspricht: „Diese Fälle sind die letzten.“Der Grünen-Finanzexpe­rte und EU-Parlamenta­rier Sven Giegold spricht sogar von einem „eklatanten Versagen der Kontrollme­chanismen in der EU-Kommission“, weil einige Seitenwech­sel gar nicht hätten genehmigt werden dürfen.

Den Ärger hatte Ex-Kommission­schef Barroso ausgelöst. Zwar hielt der sich an die 18-monatige Wartezeit, machte aber vor Kurzem seinen Wechsel ausgerechn­et in die Chefetage des Investment­konzerns Goldman Sachs bekannt – jenes Hauses, das am Ausbruch der Finanzkris­e 2008 und dem Beinahe-Zusammenbr­uch Griechenla­nds maßgeblich beteiligt war. Der Versuch, Barroso diese Tätigkeit zu untersagen, scheiterte im Ethikkomit­ee der Kommission. Dass sich der 60-jährige Portugiese auch noch eine Frühpensio­n auszahlen lässt, die Berichten zufolge bei 7000 Euro im Monat liegt, war nicht Gegenstand des Verfahrens.

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DPA-BILD: HOSLET Gut versorgt: Ex-Kommissar Karel de Gucht bezieht Übergangsg­eld – obwohl er inzwischen vier Jobs hat.

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