Nordwest-Zeitung

Zwischen Schein und Sein

„Tour de Farce“mit Sylvia Meining und Ulf Goerges im Palais Rastede

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Die beiden Schauspiel­er vom Theater Orlando schlüpfen im fliegenden Wechsel in zehn verschiede­ne Rollen. Regie führte Björn Kruse.

RASTEDE Ein kleines Hotelzimme­r, drei Türen, ein Wandschran­k, ein Bett und ein schief hängendes Bild an der Wand. Das ist die Kulisse für die Komödie „Tour de Farce“von Philip LaZebnik und Kingsley Day und Schauplatz für das temporeich­e Spiel von Sylvia Meining und Ulf Goerges vom Theater Orlando. Die beiden Vollblutsc­hauspieler schlüpfen im fliegenden Wechsel in zehn verschiede­ne Rollen und treiben den Beziehungs­wahnsinn mit großer Spielfreud­e auf die Spitze. Unter der Regie von Björn Kruse feierte das Stück voller Verwicklun­gen, Absurdität­en und Anspielung­en am Mittwochab­end im Rasteder Palais Premiere.

Rebecca, Ehefrau des Autors Herbert Gladney, ist – schwer genervt und frustriert. Sie begleitet ihren Mann auf einer Promotiont­our für sein Buch „Ehe währt immer“. Zehn Jahre hat Herbert an dem Leitfaden für die glückliche Verpartner­ung gearbeitet und dabei übersehen, dass seine Ehe längst am Ende ist. Aber das Paar wahrt den Schein, komme, was da wolle.

Dialoge voller Pointen

Es wird turbulent. Kaum hat Sylvia Meining als zeternde Ehefrau die Bühne verlassen, taucht sie durch eine andere Tür als sensations­lüsterne Journalist­in Pam Blair wieder auf, wahlweise auch als plattdeuts­ch sprechende­s, diebisches Zimmermädc­hen, dann wieder als beseelte Nonne oder berechnend­e Blondine Gwenda, die als Geliebte des Senators Grant Ryan von Ruhm und Reichtum träumt. Und auch als eifersücht­ige Gattin des Senators zieht sie alle Register.

Ulf Goerges absolviert ebenfalls ein beeindruck­endes Pensum. Als piepsiger Hotelpage vergisst er kein Gesicht, als frustriert­er Kameramann Gunnar philosophi­ert er mit perfektem skandinavi­schem Akzent über seine Zeit als Assistent an der Seite des Starregiss­eurs Ingmar Bergman. Und wenn er nicht als Herbert Gladney einen verzweifel­ten Kampf gegen das Chaos führt, dann torkelt er als korrupter Senator in Boxershort­s im Muster der amerikanis­chen Nationalfl­agge durchs Zimmer und beschwört Moral und Anstand, während er sich von Gwenda fesseln und auspeitsch­en lässt.

Meining und Goerges lassen kein Klischee aus, sehr zum Vergnügen des Publikums. Die Dialoge sind pointenrei­ch und sprühen vor Wortwitz. Einen ersten Höhepunkt erreicht der Parforceri­tt durch menschlich­e Abgründe, als Sylvia Meining als singende Nonne auftritt.

Herberts Eheleitfad­en hat sie zu dem Lied inspiriert, das sie voller Inbrunst und Hingabe zum Besten gibt. Das ist so köstlich komisch, dass selbst die Akteure kämpfen müssen, nicht zu lachen.

Als dann Senator Ryan und Rebecca ihre alte Liebe auffrische­n, strebt der Wahnsinn unaufhalts­am seinem Höhepunkt zu. Im Badezimmer kommt es zur Zickenschl­acht zwischen Gwenda und Rebecca. Der Zuschauer sieht nichts, hört aber viel und denkt sich seinen Teil.

Fetzen fliegen

Gleich darauf fliegen die Fetzen zwischen Rebecca und Herbert, während der Senator von seinem Hausdrache­n in die Mangel genommen wird. Und der Zuschauer sinniert noch darüber nach, wie Kameramann Gunnar unters Bett gekommen ist, um gleich darauf im Wandschran­k wieder aufzutauch­en.

Es ist gar nicht so einfach, in dieser zweistündi­gen Verwechslu­ngskomödie über Schein und Sein den Überblick zu behalten, aber höchst amüsant und unterhalts­am ist es allemal. Und am Ende wird auch alles gut. Nur das Bild an der Wand hängt immer noch schief.

Karten: t 04402/59 88 20 P@ Alle Ð -Theaterkri­tiken unter www.NWZonline.de/premieren

 ?? BILD: BERNHARD WEBER-MEINARDUS ?? Verwandlun­gskünstler: Szene mit Sylvia Meining als Journalist­in Pam Blair und Ulf Goerges als überforder­ter Autor Herbert Gladney in dem Stück „Tour de Farce“
BILD: BERNHARD WEBER-MEINARDUS Verwandlun­gskünstler: Szene mit Sylvia Meining als Journalist­in Pam Blair und Ulf Goerges als überforder­ter Autor Herbert Gladney in dem Stück „Tour de Farce“

Newspapers in German

Newspapers from Germany