Nordwest-Zeitung

„Zukunft %iegt in grüner Energie“

Früherer Bundesumwe­ltminister Trittin fordert Ausstieg aus Kohlestrom

- VON TOBAAS SCHMADT, BÜRO BERLAN

FRAGE: US-Präsident Donald Trump hat das Pariser Abkommen aufgekündi­gt. Wirft das den Kampf gegen den Klimawande­l zurück? TRITTIN: Das ist ein schwerer Rückschlag. Die USA sind für 16 Prozent der Treibhausg­asemission­en verantwort­lich. Wenn sie die Minderungs­ziele nicht mehr einhalten, wird es deutlich schwierige­r, die Erderwärmu­ng in diesem Jahrhunder­t auf unter zwei Grad zu begrenzen. FRAGE: Kann die übrige Welt den Ausfall der USA überhaupt kompensier­en? TRITTIN: Die Europäer und die übrigen Staaten müssen sich jetzt umso stärker anstrengen, gerade weil sie sehen, welche Vorteile sie davon haben. Teil der Wahrheit ist ja, dass Deutschlan­d seine Hausaufgab­en bislang auch nicht gemacht hat. China erfüllt schon jetzt sein Klimaziel, das es erst für 2030 versproche­n hat. Aber Deutschlan­d verfehlt seine Ziele für 2020. Wir müssen jetzt so rasch wie möglich mindestens die 20 ältesten Kohlekraft­werke stilllegen, den Deckel vom Ausbau der erneuerbar­en Energien herunter reißen, und wir müssen mit der Elektromob­ilität ernst machen. Das ist die allererste Lehre, die aus Trumps Ent- scheidung zu ziehen ist. FRAGE: Können die USA zurück ins Boot geholt werden? TRITTIN: In den USA sind die Treibhausg­asemission­en vor ihrem Beitritt zum Pariser Klimaabkom­men gesunken. Das liegt daran, dass die Kohleverst­romung wegen des preiswerte­ren Schieferga­ses unrentabel geworden ist, und weil es in den USA einen massiven Ausbau erneuerbar­er Energien gibt. Diese Entwicklun­gen werden sich unabhängig von Trumps Entscheidu­ng fortsetzen. Der Schaden wird daher womöglich nicht so groß ausfallen, wie von einigen befürchtet. FRAGE: Die Gefahr, dass andere

Länder Trump folgen, sehen Sie nicht? TRITTIN: Nun, in Deutschlan­d werden Kohlekraft­werke mit 1,6 Milliarden Euro subvention­iert. China hat bei 100 Kohlekraft­werken den Stecker gezogen und Indien hat den Neubau von Kohlekraft­werken gestoppt. Beide setzen inzwischen massiv auf erneuerbar­e Energien. Während in Deutschlan­d Diesel über die Mineralöls­teuer subvention­iert wird, versucht China gegen Berliner Widerstand, eine Elektroquo­te einzusetze­n. Und Indien hat Dieselfahr­zeuge ausgebrems­t. Mit anderen Worten: Die großen Player der Welt haben längst verstanden, dass die Zukunft in grüner Energie liegt, und sind dabei, uns davonzulau­fen. FRAGE: Deutschlan­d bremst, statt voranzugeh­en? TRITTIN: Zum Pariser Klimaabkom­men ist es nicht wegen, sondern trotz Deutschlan­d gekommen. Die Verständig­ung zwischen China und den USA hat zum Durchbruch geführt. Das wird nicht wieder stattfinde­n. Deswegen muss Deutschlan­d zu seiner Führungsro­lle aus den 90er Jahren zurückfind­en. Für einen geordneten Kohleausst­ieg brauchen wir dringend einen Konsens. Wenn nichts passiert, wird der Kohleausst­ieg vor 2025 stattfinde­n, weil die Investoren die Notbremse ziehen. Dann stehen die Beschäftig­ten ohne Alternativ­e auf der Straße. Das kann niemand wollen. FRAGE: Wie muss die Bundesregi­erung nun mit Trump umgehen? TRITTIN: Die deutsche Außenpolit­ik war immer eine multilater­ale Außenpolit­ik, daran gilt es festzuhalt­en. Die Beziehunge­n zu den USA müssen auch unter Trump eng bleiben. Nur so bleibt die Tür offen, damit die USA nach Trump in das Abkommen zurückehre­n können. Das muss das Ziel sein. Klimaschut­z lässt sich nicht national regeln, dafür brauchen wir mehr Zusammenar­beit.

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BALD: HANS BEGEROW

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