In der Tiefsee nach Antworten suchen
Arbeiten des Videokünstlers und Fotografen Armin Linke im Edith-Ruß-Haus
Die Welt des Meeres und der Tiefsee im Besonderen fasziniert den Künstler seit Jahren. Die Arbeiten des 51-Jährigen beruhen auf Material von Forschern : und ver;andeln sich in Kunst.
OLDENBURG : Es geht tief runter. Bis zu 5000 Meter, erklärt der deutsch-italienische Künstler Armin Linke, der in Berlin und Mailand lebt, aber eigentlich auf der ganzen Welt und in vielen Projekten zu Hause ist. Das merkt man schon, wenn er mal eben erzählt, wie er zur Musik kam, die er den Videos vom Meeresgrund unterlegte: „Ich hatte vor langer Zeit John Cage bei einem längeren Aufenthalt in New York kennengelernt.“
Linkes Werke bewegen sich erstaunlich selbstverständlich zwischen Wissenschaft und Kunst. Sein Generalprojekt der letzten Jahrzehnte befasst sich mit den Veränderungen der Erde durch den Menschen. Im Moment stehen die Ozeane im Zentrum, genauer: die immer noch von Geheimnissen umwitterten Welten der Tiefsee.
Musik von John Cage
Die eigens für das Oldenburger Edith-Ruß-Haus für Medienkunst geschaffene Ausstellung nutzt zwei Ebenen: Oben kann der Besucher auf drei großen Leinwänden Videos verfolgen. Die Aufnahmen stammen von Expeditionen in die Tiefsee, durchgeführt vor einigen Jahren von Experten. Für die Auswahl wurden 500 Stunden aus deren Archiven in Deutschland, darunter in Bremen und Kiel, gesichtet.
Erstaunlich ist, wie taghell und glasklar ausgeleuchtet mit Scheinwerfern die dunkelste Tiefsee aufscheint. Faszinierend, wie wir mit dem vom Boot aus ferngesteuerten Metallarm mitfiebern: Packt er inmitten der surreal schwebend wirkenden Welt den Gesteinbrocken? Fische wedeln
neugierig heran. Zu tonlosen Bildern der geologischen Arbeit hören wir die zeitlos wirkende Nichtmusik eines John Cage.
Was in den 40-Minuten-Filmen wie eine gewollte Choreografie erscheint, stammt aus der Wissenschaft. Der
Übergang, erläutert Linke gern, zwischen Kunst und Dokumentation sei eben fließend, und das gezeigte Werk wurde sozusagen von einem Kollektiv aus Forschern und Künstlern erzeugt. Die Aufnahmen stammen aus dem Pazifik vor Chile oder von anderen
Meeresgegenden, wo sich Kontinentalplatten übereinanderschieben.
Die glasklaren Unterwasservideos vermitteln eine feine, schöne und immerzu irritierende Fremdheit. Ein wenig so, als sei das Ganze vielleicht doch in einem Aquarium gleich nebenan gedreht, an der Grenze zwischen Realität und Fiktion – eine hübsche Nebenwirkung. Meeresforschung, erläutert Linke glaubwürdig, ist immer auch Klimaforschung. Dabei geht es momentan, was die Meere betrifft, auch um den industriellen Abbau von Rohstoffen. Welche Folgen hätte das?
Viele Stimmen
In den unteren Räumen des Museums liefern reichlich Dokumente, etliche Bücher und sehr lange Videointerviews mit Spezialisten, darunter Biologen, einige Hinweise. So führt diese Ausstellung in ein komplexes Thema ein, dass auch komplex dargeboten wird. Einfache Antworten sucht man vergebens. Weil es sie einfach nicht gibt.