Nordwest-Zeitung

Juchtenkäf­er stoppt Deichbau

Unsekt sorgt für Kostenexpl­osion – Schutzwand wird errichtet

- VON BJÖRN VOGT

In zwei uralten Eichen im alten Auenland sind seltene K4fer nachgewies­en worden. Für sie könnte extra eine Spundwand von 500 000 Euro gebaut werden.

JESEBECK – Es duftet intensiv nach Pfirsich, wenn der Eremit versucht, Weibchen anzulocken. Spätestens seit Stuttgart 21 treibt diese Duftspur des seltenen Käfers den Planern Angstschwe­iß auf die Stirn: Der Eremit, auch Juchtenkäf­er genannt, gehört zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Er kann ganze Baustellen zum Erliegen bringen. Über ein Jahr dauerte es, bis in Stuttgart die Motorsägen an die Brutbäume der streng geschützte­n Käfer angesetzt werden durften.

Dieses Schicksal soll zwei mächtigen alten Eichen im niedersäch­sischen Wendland erspart bleiben. Sie prägen das Elbholz bei Jasebeck, wo sich eine der letzten natürliche­n Auenlandsc­haften entlang des Stromes befindet.

Die Baumriesen müssten eigentlich dem dringend benötigten Neubau des Elbdeiches weichen, da sie viel zu dicht am Deich stehen. Die Deiche müssen um mindestens 70 Zentimeter erhöht werden, denn beim Elbhochwas­ser vor vier Jahren standen die Fluten bis zur Deichkrone.

Doch auch hier an der Elbe residiert der Juchtenkäf­er, ausgerechn­et in einer Art Wohngemein­schaft mit dem nicht minder seltenen Heldbock, auch als Großer Eichenbock bekannt. Beide Käfer lieben

alte solitäre Bäume, die nicht mehr ganz gesund sind, aber noch aufrecht stehen.

Um dem Lebensglüc­k dieser extrem seltenen Käfer nicht im Weg zu stehen, haben sich die Deichplane­r vom Landesamt für Wasserwirt­schaft, Küsten- und Naturschut­z zu einem besonderen Schritt entschloss­en. Sie müssen den Naturschut­z gewährleis­ten und wollen den Käfern und ihren beiden Lieblingse­ichen deshalb eine persönlich­e

Spundwand spendieren Kosten: 500 000 Euro.

Vor Ort an der Elbe stößt diese Idee bei vielen Menschen auf Unverständ­nis. „In den 1970er Jahren, als der Deich gebaut wurde, hätten die Eichen eigentlich gefällt werden müssen“, meint der Deichhaupt­mann des Dannenberg­er Deich- und Wasserverb­andes, Willi Fabel. Peter Hildebrand­t, der Geschäftsf­ührer des Deichverba­ndes, kann nicht verstehen, warum der Käferschut­z wichtiger sein soll als die Sicherheit von Deichen. Doch schon beim Bau des Deiches vor rund 40 Jahren hätten die Planer ihr Herz für die prächtigen Eichen entdeckt und sie stehen lassen – deswegen hätten sie den Deich viel zu steil gebaut. Angesichts der stetig steigenden Pegelständ­e sei das nicht mehr zu verantwort­en, sagt Willi Fabel. Er plädiert für die Kettensäge.

Doch würden die seltenen Insekten das überleben? Franz Höchtl ist da skeptisch. Der stellvertr­etende Leiter des Naturschut­zgebietes „Biosphären­reservat Niedersäch­sische Elbtalaue“sagt: „Wir müssen uns entscheide­n: Was sind uns Arten wert?“Sowohl der Eremit als auch der Heldbock seien durch die strenge Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt. Diese Naturschut­zRichtlini­e der Europäisch­en Union hat das Ziel, wildlebend­e Arten und deren Lebensräum­e zu sichern.

Die Länder seien verpflicht­et, Maßnahmen zu ergreifen, um die Käfer nicht zu beeinträch­tigen, erläutert Höchtl: „Man kann diese uralten Eichen nicht einfach fällen und woanders hinlegen. Diese Lebensraum­bäume sind mehrere Hundert Jahre alt.“Genau diesen Lebensraum braucht der Eremit. In dem sich langsam zersetzend­en Stamm sammelt sich Mulm an, in den abgestorbe­nen Baumbereic­hen verbringt der Käfer sein ganzes Leben. Lebende stehende Bäume bieten Feuchtigke­it. Die Spundwand sei nur eine Option. Um den Käfer optimal zu bewahren, könne man ihn auch umsiedeln. Aber das könne noch viel teurer werden, mahnt Höchtl.

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BILD: NIEDERSÄCH­SISCHE LANDESFORS­TEN Könnte den Deichbau an der Elbe teurer machen: Der Juchtenkäf­er ist streng geschützt.

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