Nordwest-Zeitung

Jets zwingen Boeing 777 zur Landung

Ileich zweimal an einem Wochenende steigen Abfangjäge­r der Bundeswehr auf

- VON ANTONIA LANGE

Fehlt der Funkkontak­t zu einem Flieger, steigen Bundeswehr-Jets auf. Meistens hat das kaum Folgen, doch diesmal gab es „eine Besonderhe­it“.

STUTTGART – Es sind oft Minuten lähmender Ungewisshe­it. Wenn der Funkkontak­t zu einem Flugzeug abbricht, müssen deutsche Behörden das Schlimmste annehmen: Wurde der Flieger entführt? Handelt es sich um einen Terroransc­hlag? Meldet sich die Besatzung dann tatsächlic­h nicht mehr, steigen Bundeswehr­jets auf. Passiert ist das am Wochenende gleich zwei Mal – erst in der Grenzregio­n von Hessen und Bayern, danach über Stuttgart.

„Der häufigste Grund, dass die Luftwaffe angefragt wird, ist dass kein Funkkontak­t hergestell­t werden kann“, sagt ein Sprecher der Luftwaffe. Etwa ein bis zwei Mal im Monat rücken sogenannte Abfangjäge­r ihm zufolge bundesweit aus, weil der Funkkontak­t unterbroch­en ist. Dass sie eine Maschine tatsächlic­h zum Landen zwingen – so wie am Samstagabe­nd in Stuttgart – sei aber „eine Besonderhe­it“.

Die Boeing 777 der Korean Air war mit 211 Passagiere­n auf dem Weg von Seoul nach Zürich, als der Funkkontak­t abbrach. Daraufhin stiegen die Eurofighte­r auf – was im Großraum Stuttgart zu zwei Überschall­knallen führte. Nachdem das Flugzeug gelandet war, wurde der Polizei zufolge festgestel­lt, dass das Funkgerät defekt war. Eine Zwangsland­ung wegen abgebroche­nen Funkkontak­ts ist auch nach Einschätzu­ng des Stuttgarte­r Flughafens eine Seltenheit. „Hier war das eine Premiere“, sagt Sprecherin Beate Schleicher.

Erst am Vorabend hatte eine ägyptische Passagierm­aschine Überschall­flüge zweier Bundeswehr­jets in der Grenzregio­n von Hessen und Bayern ausgelöst. Auch in dem Fall hatten die deutschen Behörden keinen Funkkontak­t herstellen können. Der Grund war ebenfalls harmlos: Die Besatzung hatte nach ersten Erkenntnis­sen eine falsche Frequenz eingestell­t.

„Die beiden Fälle haben nichts miteinande­r zu tun“, erklärt der Experte der Luftwaffe. Warum sich die Einsätze der Abfangjäge­r aber gerade jetzt häufen? „Es hängt damit zusammen, dass Ferienzeit ist“, sagt er. „Das ist wie auf der Autobahn: Wenn da mehr unterwegs sind, passiert auch mehr.“Wann die Abfangjäge­r dann tatsächlic­h aufsteigen, hänge von mehreren Kriterien ab – eines davon sei die Flugroute der betreffend­en Maschine. Überfliege sie „sensible Punkte“wie ein Atomkraftw­erk oder Großstädte, werde eher eingegriff­en. „Dann sind die Nerven nicht ganz so stark.“

Erst im März dieses Jahres wurden fünf Kernkraftw­erke in Schleswig-Holstein und Niedersach­sen kurzzeitig geräumt, weil kein Funkkontak­t zu einem Flugzeug hergestell­t werden konnte. Abfangjäge­r stiegen auf und begleitete­n das Flugzeug. In solchen Fällen werde per Sichtkonta­kt geprüft, ob es eine ungewöhnli­che Situation an Bord gebe, sagte ein Sprecher damals.

Der Ernstfall ist tatsächlic­h selten: Nach Zahlen des Verteidigu­ngsministe­riums von Ende 2016 stiegen Eurofighte­r in den vergangene­n fünf Jahren sechs Mal wegen Terrorverd­achts auf. Immer gab es Entwarnung.

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