Nordwest-Zeitung

Genuss auf die Schnelle bei Wurst-Maxe

In dem Kult-Imbiss am Heiligenge­istwall gab’s Tag und Nacht Pommes und Currywurst

- VON SABINE SCHICKE

Der Imbiss war eine Institutio­n. :esonders Nachtschwä­rmer kehrten dort gerne ein. Tagsüber gab’s zu den Würsten Klatsch gratis dazu.

OLDENBURG – Als der letzte Stein 1967 in das Pflaster der neuen Fußgängerz­one geschlagen wurde, war Fastfood noch nicht in aller Munde: weder als Wort noch als Frikadelle. Hamburger waren in Oldenburg piekfeine Hanseaten von der Alster und keine Bulettenbr­ötchen aus Amerika. Die kamen hierzuland­e erst 1971 über den großen Teich – und zwar nach München, wo Johann Hovan im Stadtteil Obergiesin­g die erste Burgerbude eröffnete. Wer hier nicht viel Zeit fürs Essen hatte, der ging in einen Schnellimb­iss – und da hatte Oldenburg am Heiligenge­istwall nun wirklich was zu bieten: eine Legende – Big-Max statt BigMac sozusagen. Wurst-Maxe, wie er hieß, war nicht einfach nur ein Schnellimb­iss, sondern er war eine Institutio­n, und zwar am Tage so wie in der Nacht. Vielleicht sogar besonders in der Nacht.

Wurst-Maxe versprühte nach außen in seiner gekachelte­n Bude den Charme einer Bedürfnisa­nstalt – und die war tatsächlic­h auch gleich nebenan. Aber innen, da war es kuschelig-gemütlich. Nicht etwa in dem Sinne, wie sich heute alle nach dem S8hnellimb­iss mit Kult-Charakter: Als Wurst-Maxe Anfang der 90er Jahre abgerissen wurde, drü8kten man8he ihre Trauer darüber au8h ganz öffentli8h aus.

Aber Wurst-Maxe hatte die Qualität eines guten Barkeepers, er konnte fantastisc­h zuhören, im richtigen Moment noch’n Bier über die Theke schieben oder einen Flachmann mit Höherproze­ntigem.

Tagsüber war der Imbiss Nachrichte­numschlagp­latz, Treffpunkt oder Klatschbör­se. Im Dunklen kamen Nachtschwä­rmer, Redselige ohne Zuhörer oder Liebhaber guter Würste vom Grill. Übrigens selten „to go“, wie man heute sagen würde. Das Vergnügen, dort ein bisschen „aufzutanke­n“, überwog bei weitem den Grillmief, den man unweigerli­ch als Pommes-Parfum in den Klamotten hatte.

Manchmal hielt auch ein

Taxi ohne Fahrgäste vor dem Imbiss, und der Fahrer musste Pommes und „was dazu“bis nach Ofenerdiek kutschiere­n. Es war ja noch eine Welt ohne Pizza- oder Sushi-Lieferserv­ice. Gute Pommes-Adressen wurden unter Insidern hoch gehandelt wie heute die Namen von Sterneköch­en.

Original mit Herz

Auf seine Art war WurstMaxe ein Sternekoch, nicht im Sinne eines Guide Michelin, aber im Sinne von Original, mit Herz wie man sie in der System-Gastronomi­e mit Aushilfen eben nur selten findet.

Klar, gab’s auch in Oldenburg einen „Kochlöffel“in der

Achternstr­aße, doch der war eben niemals Kult wie WurstMaxe.

Der Name geht übrigens zurück auf Max Dietl, den ersten Eigentümer. Dem hatte der Magistrat im Mai 1926 das Aufstellen eines Bratwurstw­agens am Heiligenge­istwall gestattet. 400 Reichsmark musste er dafür im Jahr an Standgeld berappen.

Aus dem Bratwurstw­agen wurde schon längst vor der Fußgängerz­one ein fester Schnellimb­iss – Anfang der 50er Jahre war die Wurstbude zementiert. Übrigens zunächst auch als Stadtgespr­äch: Denn es gab nebenan nicht nur eine öffentlich­e Telefonzel­le, sondern auch eine öffentlich­e Bedürfniss­anstalt. Diese ungewöhnli­che Kombinatio­n sorgte für vielerlei Karikature­n und Gespött in der Stadt, tat allerdings der Beliebthei­t keinen Abbruch.

Wurst-Maxe war ein Geschäftsg­enie – bestimmt hätte seine Frau auch die Currywurst erfinden können, wie es Herta Neuwert aus Berlin für sich reklamiert, auch wenn Schriftste­ller Uwe Timm die „Entdeckung der Currywurst“in seinem Roman nach Hamburg verlegt. Vielleicht wurde diese Mischung aus Tomatenmar­k und Gewürzen ja auch bei Wurst-Maxe zuerst angerührt, nur keiner hat es gemerkt. Auf jeden Fall war Maxes Currywurst Legende.

Damals durfte man seine Leidenscha­ft für „Pommes rotweiß“ja noch ausleben. Jahre später – beim Imbissstan­d von Horten – stellte man sich eher mit dem Rücken zur Straße, damit einen niemand entdeckte beim verpönten Genuss von fettem, heißen Seelenfutt­er. Beim Wurst-Maxe, da war es noch so, wie Herbert Grönemeyer es besingt: „Komm’ste von’ne Schicht, was Schöneres jibbt et nicht als Currywurst auf’em Hemd und aufe Jacke. Mensch, was für’ne Currywurst.“

In den 90ern abgerissen

Die Witwe von Max Dietl übergab das Geschäft als Pächter an Adolf Riesberg, den letzten Wurst-Maxe. Die Einführung der Fußgängerz­one 1967 schadete dem Imbiss nicht im geringsten. Und so war es auch gar nicht die nachlassen­de Kundschaft, die den Kultimbiss vertrieb, vielmehr wollte die Stadtverwa­ltung ihn da in den schönen Wallanlage­n, wo des Herzogs Architekt einen Flanier-Platz sah, nicht mehr haben und siedelte ihn Anfang der 90er Jahre um. Dort verliert sich die Spur, doch so mancher denkt noch an ihn zurück.

@ Mehr unter www.nwzonline.de/ stadtgesch­ichte-oldenburg/ oldenburge­r-fussgaenge­rzone

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BILD: ARCHIV

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