Nordwest-Zeitung

<ehr als 400 000 Schlagerfa­ns feiern in Hamburg

- VON SONJA WURTSCHEID

NJL eine Woche nach dem G20-Gipfel ist in Hamburg Schlagermo­ve. Viele Anwohner sind genervt, manch einer flüchtet sogar.

HAMBURG

En der U-Bahn stimmen Menschen, die sich noch nie gesehen haben, zusammen Lieder an und prosten sich mit Sektflasch­en über die Sitzreihen hinweg zu. Sie tragen neonfarben­e Perücken, balanciere­n riesige Sonnenbril­len auf ihren Nasen, und ihre Stimmen klingen schon etwas heiser. Mehr als 400 000 Fans sind nach Veranstalt­erAngaben am Samstag nach Hamburg gereist, um den 21. Schlagermo­ve zu feiern.

Nach den Ausschreit­ungen rund um den G20-Gipfel zieht die Kult-Parade ein knallbunte­s Band durch St. Pauli. Am Heiligenge­istfeld warten schon die 45 fahrenden Schlagerbü­hnen. „Das ist so eine geile Party“, schwärmt Sina (24) aus Freiburg. Die Studentin ist mit ihren Freunden zum vierten Mal dabei. Viel Zeit zum Plaudern bleibt nicht – denn schon rollt eine Polizeikol­onne durch die Menge. Jemand stimmt eine LaOla-Welle an.

Schlager-Star Christian Anders führt den bunten Tross im ersten Truck an. „Komm’ hol das Lasso raus“, tönt es an den Landungsbr­ücken. Bässe wummern über den Hafen, Zuschauer zünden Konfettika­nonen. Weinen wenn der Regen fällt (dam dam) muss zu Beginn der Parade noch niemand: Sobald die Wolken Platz machen, knallt die Sonne auf Polyester-Perücken und Pailletten-Hüte. „Der Schlagermo­ve ist ein Fest für alle“, freut sich Maria (48), die mit ihremMannu­nddendreik­leinen Kindern aus Oldenburg gekommen ist.

Für nicht wenige Hamburger aber ist der Schlagermo­ve eine Woche nach dem Ausnahmezu­stand rund um den G20-Gipfel eine Geduldspro­be. Zusätzlich zu der Kult-Parade wird am Wochenende auch der Triathlon-Weltcup in Hamburg ausgetrage­n. Innensenat­or Andy Grote (SPD) kündigte an, diese Veranstalt­ungen in den kommenden Jahren zu entzerren.

Viele Anwohner von St. Pauli und der Neustadt würde das freuen. „Hamburg macht einfach zu viel“, sagt Jochen (35). Er wohnt im kleinen Portugiese­nviertel hinter den Landungsbr­ücken und ist „total genervt, weil gefühlt alle zwei Wochen die Straßen dicht sind“.

Wer in der Großstadt wohnt, muss mit Lärm klarkommen. Aber ab wann sind es zu viele Megaevents, zu viele gesperrte Straßen und zu viele Touristen, die bis spät in die Nacht vor den Bars grölen? Nina aus der Neustadt macht es anders: Sie steht mit gepacktem Koffer vor ihrer Haustür – zum Schlagermo­ve zieht die 29-Jährige zu ihren Eltern nach Lübeck.

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IMAGO-BILD: ANGERER Menschenma­ssen vor den Landungsbr­ücken: Hunderttau­sende feierten am Samstag in St. Pauli.
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DPA-BILD: WENDT Große Brillen, großer Spaß: Bunt geschmückt feierten die Schlagerfa­ns auf der Reeperbahn.

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