Päbelrasseln nimmt kein Ende
Warum die Situation in der Ostukraine immer komplizierter wird
Mit der ersten Teilnahme von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an Ukraine-Gesprächen soll frischer Wind in den festgefahrenen Friedensprozess kommen. Das Telefonat von Macron, Kanzlerin Angela Merkel, Kremlchef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am Montag ist der erste Gesprächsanlauf der vier Länder seit April. Andauernde Kämpfe in der Ostukraine und wenig konstruktive Initiativen wie die einseitige Ausrufung eines Separatistenstaates „Kleinrussland“zeigen, wie wichtig der Dialog ist.
Entlang der Frontlinie hat die Gewalt nach der im Juni vereinbarten Waffenruhe zunächst abgenommen. Dennoch werfen sich Militär und Separatisten gegenseitig immer wieder Verstöße vor, und auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtet von Kämpfen. Landminen und Sprengfallen stellen eine zusätzliche Gefahr dar. Seit Juni sind mindestens 23 Regierungssoldaten getötet worden, mehr als doppelt so viele wie im Mai.
Die Initiative der Donezker Separatisten vergangene Woche kam für viele überraschend, selbst für die verbündeten Aufständischen in Luhansk. Der Donezker Separatistenführer Alexander Sachartschenko stellt damit die Legitimität der prowestlichen Kiewer Regierung infrage. Mit „Kleinrussland“beansprucht Donezk die Führung über das gesamte Staatsgebiet der Ukraine mit Ausnahme der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim.
Deutschland und Frankreich sowie Russland hatten das Projekt prompt als klaren Verstoß gegen den Minsker Friedensplan kritisiert. Dieser sieht vor, dem Donbass mehr Autonomie innerhalb der Ukraine zu geben. Viele sehen in der überraschenden Ausrufung auch einen Testballon, um internationale Reaktionen zu analysieren.
Die Ukraine sieht Russland als Konfliktpartei im Donbass. Deshalb hat Kiew Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Moskau eingereicht. Am Wochenende sagte Geheimdienstchef Wassili Grizak, Kiew habe „Tausende Seiten“an Beweisen zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten durch Russland an das Gericht übergeben. Zudem behauptete der ukrainische Generalstab, dass drei russische Divisionen an der Grenze zusammengezogen worden sein sollen.
In Umfragen spricht sich regelmäßig eine deutliche Mehrheit der Ukrainer für Kompromisse aus, um Frieden im Donbass zu ermöglichen. Dennoch überwiegt in Parlamentskreisen eine kriegerische Rhetorik. Es gibt kaum Fürsprecher für eine Umsetzung des Minsker Friedensplans. Konkrete Ergebnisse wie eine nötige Verfassungsänderung, um dem Donbass mehr Autonomie einzuräumen, oder eine Generalamnestie für die Separatistenkämpfer gelten daher als höchst unwahrscheinlich.
Der Kreml geht in der Öffentlichkeit auf Distanz zu dem Vorstoß der Separatisten, einen eigenen Staat „Kleinrussland“zu gründen. Der als kremlnah geltende Politologe Alexej Tschesnakow sagte aber, Moskau komme der Aufruhr gelegen. Präsident Wladimir Putins Berater Wladislaw Surkow soll demnach gesagt haben: „Das Wichtigste ist, dass der Donbass nicht für eine Loslösung von der Ukraine kämpft, sondern für ihren Zusammenhalt.“Vorwürfe eines direkten Eingreifens in den Konflikt mit Soldaten weist Moskau nach wie vor entschieden zurück und sieht sich als Vermittler, nicht als Konfliktpartei.