Nordwest-Zeitung

Opfe in Koma ve setzt

- VON KRISTINA WIENAND

WIETZE/DPA – Notruf in Wietze im Landkreis Celle: Am späten Sonntagabe­nd hatte ein Mann am Telefon angegeben, angeschoss­en worden zu sein. „Eine sofort zum Ort des Geschehens entsandte Streife der Polizei fand den Verletzten am Boden liegend in dessen Wohn- und Geschäftsh­aus“, teilte die Polizei am Montag mit. Die Ermittler nahmen zwei Menschen vorläufig fest. Beide schwiegen in ihren Vernehmung­en. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen des Verdachts des versuchten Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung.

Das 47-jährige Opfer wurde im Krankenhau­s notoperier­t und in ein künstliche­s Koma versetzt. Sein Zustand sei kritisch, hieß es. Die Polizei konnte ihn noch nicht befragen. Es werden noch Zeugen gesucht. Bisher liegen der Polizei keine Hinweise vor, dass die Tat womöglich im Zusammenha­ng mit dem Rockermili­eu stehen könnte. Frau auf dem Bau: Dachdecker­in Paula Eberhard, Auszubilde­nde im zweiten Lehrjahr, bei Abdeckarbe­iten.

Die 19-Jährige gehört zu den wenigen Dachdecker­innen in Niedersach­sen. Sie bereut ihre Entscheidu­ng nicht.

HANNOVER – „Paula, haste?“, fragt Dennis, ohne das Mädchen sehen zu können. „Ja“, entgegnet Paula konzentrie­rt. Die 19-Jährige steht auf dem Dachboden, als sie die Dachlatte von ihrem Kollegen entgegenni­mmt. Weil noch Nägel darin stecken, legt sie sie mit dieser Seite nach unten auf einen Stapel. Draußen auf dem Dach reißt Dennis schon die nächste ab. Ob sie heute fertig werden? „Wir müssen“, sagt sie. „Das Dach muss dicht sein, sonst regnet es rein.“

Paula Eberhard ist Lehrling im zweiten Lehrjahr bei der

Firma Imhoff aus Seelze in der Region Hannover. Dem Dachdecker-Verband zufolge sind derzeit 990 Dachdecker in Niedersach­sen und Bremen in der Ausbildung – darunter sind 16 Frauen. Paula ist eine davon. Der weibliche Anteil an den Auszubilde­nden liegt bei 1,6 Prozent und damit 0,3 über dem Bundesschn­itt. Unter den angestellt­en Dachdecker­n sind bundesweit sogar noch weniger Frauen: Von 52 395 waren zuletzt 225 Frauen – nur 0,4 Prozent.

In Paulas Alltag bedeutet das: Bei den Lehrgängen in Sankt Andreasber­g im Harz sind unter 300 jungen Männern meist fünf Frauen. Kein Wunder, dass die Mädchen dort auch mal einen Anmachspru­ch zu hören bekommen. Von Kollegen auf der Baustelle kennt Paula das nicht.

Während sie Dachpfanne­n von ihrem Chef entgegenni­mmt

– immer im Zweierpack –, beschreibt Paula, wie sie sich in dem Männerteam durchgeset­zt hat. Das funktionie­re gut, weil sie Tatsachen geschaffen habe, meint Paula. Dazu gehöre das Tragen der Bleirolle, rund fünfzig Kilo schwer. „Das kann auch ein Mann nicht mal eben so tragen, und bei Paula entspricht es ja ungefähr ihrem Körpergewi­cht“, grätscht der Chef dazwischen. Denn Paula hat es einmal geschafft, die schwere Rolle mit dem Metall zu tragen.

Seit diesem Moment beweist Paula immer wieder, dass sie im Job nicht so schnell an ihre Grenzen stößt. Sie würde den Beruf empfehlen, „wenn man abends wissen möchte, was man geschafft hat, viel draußen sein will und etwas anspruchsv­oller ist“. Bevor die junge Frau sich entschloss­en hatte, eine

Lehre als Dachdecker­in zu machen, hatte ihre Mutter Bedenken geäußert: „Hast du dir das auch gut überlegt?“Bereut hat Paula ihre Entscheidu­ng nicht. Sie hat sich angepasst. Privat trägt Paula auch gerne mal ein Kleid, auf der Baustelle ist robuste Kleidung angesagt: Schwarze, an den Knien verstärkte Hose, dunkelrote Kapuzenjac­ke, rote Arbeitschu­he, Pferdeschw­anz. Und ein bisschen Make-up. Das stört nicht bei der Arbeit. Dreckig wird Paula trotzdem. „Ich muss so gut wie jeden Tag Klamotten waschen.“

„Wenn Frauen sich für diesen Beruf entscheide­n und das durchziehe­n, sind sie in der Regel sehr erfolgreic­h“, sagt Rudolf Kirschner, Geschäftsf­ührer des Dachdecker-Verbands Niedersach­sen-Bremen. Es gebe von Ostfriesla­nd bis Goslar sehr engagierte, weibliche Chefs.

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