Dicke Luft in der Diesel-Krise
Vor dem Gipfel im Kanzleramt wächst der Druck auf Minister Dobrindt
WAm Mittwoch kommen Vertreter von Autobranche, Bund und Ländern zusammen. Kurz vor der Wahl ist eine Lösung aber unwahrscheinlich.
„Der gehört entlassen!“Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer fährt am Montag schwere Geschützte gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf. Der CSU-Politiker sei „der Schutzpatron der Trickser und Betrüger“, wettert er. Auch für Parteifreund Jürgen Trittin ist klar: „Dobrindt ist der oberste Vertuscher von Dieselgate. Und deshalb muss er zurücktreten.“Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens schießt nach: „Dobrindts Rücktritt ist längst überfällig.“Zwei Tage vor dem Autogipfel in Berlin, bei dem nach Lösungen für die Dieselkrise gesucht werden soll, gerät Dobrindt massiv unter Druck.
Der Grund: Laut Medienberichten hat das ihm unterstellte Kraftfahrtbundesamt (KBA) Berichte über Abgasmanipulationen bei Porsche geschönt. In E-Mails umgarnen Mitarbeiter Konzernvertreter mit „industriefreundlichen Grüßen“, Formulierungen werden entschärft.
Dobrindt als Handlanger der Schummler bei Porsche, VW, Daimler und Co.? Hat sich der Minister vor den Karren der Industrie spannen lassen, anstatt aufzuklären und die Gesundheit von Millionen Menschen zu schützen? Ein Ministeriumssprecher wehrt ab: Im Untersuchungsbericht sei Porsche eindeutig der Einsatz einer Abschalteinrichtung vorgeworfen und Gegenmaßnahmen eingefordert worden. Der Austausch zwischen Behörde und Industrie vor der Veröffentlichung von Berichten sei Normalität.
Doch das reicht nicht aus, um Dobrindt vom Verdacht zu befreien, er habe die Täter mit Samthandschuhen angefasst. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wittert die Chance, den CSU-Mann in die Defensive zu treiben: Die Berichte belegten die „absurde Kumpanei“zwischen Dobrindts Kraftfahrtbundesamt und der Autoindustrie, beklagt der Herausforderer von Angela Merkel. Es sei „unerträglich“, dass die Bundeskanzlerin „tatenlos“zuschaue.
Wahlkampf mit Dieselgate. Politisches Gezänk statt geschlossene Front und Druck auf die Industrie, ihre Fehler zu korrigieren. Was kommt raus beim Gipfel am Mittwoch im Bundesverkehrsministerium? Das Angebot der Hersteller, ihre Wagen mit preiswerten Softwareupdates sauberer zu machen, reicht Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht aus, sie pocht auf Hardwareumrüstung, sind die zu kleinen AdBlue-Tanks doch der Kern des Problems, weil sie nicht genug Harnstoff für die Abgasreinigung aufnehmen können. Auch die Deutsche Umwelthilfe, die in Stuttgart Fahrverbote für Dieselstinker erzwungen hat, erhöht am Montag den Druck, fordert einen verpflichteten Rückruf und Hardwarenachrüstungen für alle Diesel der Abgas-Normen Euro 5 und Euro 6. 13,5 Milliarden Euro müsste die Branche dafür aufwenden: „Davon wird niemand überfordert“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch.
Die Industrie im Kreuzfeuer der Kritik – wird Dobrindt es trotzdem versuchen, ihr auf dem Dieselgipfel elegant aus der Patsche zu helfen, gar steuerfinanzierte Kaufprämien für saubere Diesel in Aussicht stellen? Alles andere als Verpflichtungen der Hersteller, auf eigene Kosten für saubere Autos zu sorgen und die Grenzwerte einzuhalten, wäre wohl ein Fiasko des Spitzentreffens.
Der Druck auf die Branche wird steigen – das ließ plötzlich auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erkennen. Der CSU-Chef zeigte sich nach langem Zögern offen für Sammelklagen geschädigter Autohalter. „Ich bin da nicht abgeneigt, wenn die Autoindustrie so weiter macht“, donnerte der bayrische Ministerpräsident.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ärgert sich über den späten Schwenk Seehofers wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Sammelklagen könnten den Geschädigten längst offenstehen, „wenn CDU/CSU sie nicht in der laufenden Legislaturperiode blockiert hätten“, sagt er.
Auch Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin GöringEckardt wirft Seehofer vor, er sei „völlig unglaubwürdig“. „Die Blockade durch Dobrindt kostet die 2,5 Millionen Betroffenen nun richtig Geld – denn mit einem Gesetz für Sammelklagen wären die Autobauer schon lange aktiv geworden, um massiven Schadenersatz zu vermeiden“, erklärt sie. „Es gibt jetzt keine Zeit zu verlieren: Wir laden SPD und CDU/CSU ein, eine gemeinsame Gesetzesänderung im September in den Bundestag einzubringen.“