Dieses Amt erfordert Härte und Entschiedenheit
In keinem der vier deutschen Spiele bei der EM habe ich gedacht: Wow, da spielt der kommende Europameister! Es hat einfach nicht gepasst, die deutsche Mannschaft hat letztlich nicht überzeugt. Auch die Art des Scheiterns spiegelt das wider: Es war kein unglückliches Viertelfinal-Aus, bei dem die Spielerinnen alles versucht hätten. Vielmehr war die Niederlage gegen Dänemark die logische Folge davon, wie sich die Mannschaft auf dem Platz präsentierte.
Klar, jetzt steht Bundestrainerin Steffi Jones stark in der Kritik. Dass sie den Posten im vergangenen Jahr übernahm und die Art ihrer Amtsführung bieten ja auch einige Angriffspunkte. Der DFB wollte unbedingt eine Frau auf dem Posten, außerdem sollte diese Frau aus den eigenen Reihen kommen. In den Jahren und Jahrzehnten davor war das ja auch ein gutes Konzept gewesen.
Dass eine Trainerin gleich auf der Position der Bundestrainerin ins Geschäft einsteigt und dann auch noch einen schwierigen Umbruch bewältigen muss, ist aber eine denkbar schlechte Ausgangssituation. Nachdem Silvia Neid sich bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro mit der Goldmedaille verabschiedet hatte, verließen auch gestandene Spielerinnen das Team. Das war natürlich mit einem Qualitätsverlust verbunden. Keine Frage, es gibt in der Bundesliga sehr gute, talentierte Spielerinnen. Aber die können nicht von jetzt auf gleich in der Nationalmannschaft bei großen Turnieren konstant Höchstleistungen bringen. Dafür braucht man einfach etwas Zeit.
Ich hatte während der EM manches Mal den Eindruck, dass Jones einfach zu nett und sympathisch rüberkommt. Das klingt im ersten Moment seltsam – warum sollten so positive Eigenschaften denn falsch sein? Aber in diesem Job braucht es ein gewisses Maß an Härte und Entschiedenheit. Ich glaube, Neid hatte in ihrer Karriere als Trainerin auch diese Wandlung durchlaufen. Sie war letztlich eine hochrespektierte Trainerin, die Autorität ausstrahlte. Und die braucht es auch, um auf dieser Ebene Erfolg zu haben.
Über die fachliche Qualifikation von Jones müssen wir an dieser Stelle nicht reden, diese ist unbestritten. Aber sie muss sich vermutlich noch stärker ihrer Wirkung nach außen bewusst werden. Solche Dinge spielen bei einer Bundestrainerin eben eine große Rolle.
Aber es wäre nun auch falsch, das frühe Aus nur an der Trainerin festzumachen. Ich glaube, Jones wird die Lehren aus ihrem ersten großen Turnier als Chefin ziehen. Und ich glaube, mit ihr als Bundestrainerin werden wir bei der WM 2019 eine andere deutsche Mannschaft erleben.
ANSTOß
Tanja Schulte ist Trainerin der ZweitligaFußballerinnen des BV Cloppenburg. Exklusiv für diese Zeitung analysiert die 42-Jährige die Spiele bei der EM in den Niederlanden. Bild: Schulte