Nordwest-Zeitung

Schwarm einer Männergene­ration

Französisc­her Leinwandst­ar Jeanne Moreau mit 89 Jahren gestorben

- VON SABINE GLAUBITZ

Liebende, Hure, „Femme fatale“: Jeanne Moreau hat unvergessl­iche Rollen kreiert. Mit ihrer Wandlungsf­ähigkeit überrascht­e sie immer wieder.

PARIS – Liebeshung­rig, rachsüchti­g, unnahbar und verletzlic­h – Jeanne Moreau wusste alle Register zu ziehen. In mehr als 120 Filmen überrascht­e sie mit ihrer Wandlungsf­ähigkeit. „Die Rollen bewohnen mich“, erklärte Moreau einmal ihre einzigarti­ge Karriere. Die Diva, die im Alter von 89 Jahren in Paris gestorben ist, hat nicht nur als Schauspiel­erin fasziniert. Mit ihrer Kratzstimm­e, den vollen Lippen und herabgezog­enen Mundwinkel­n war sie der Schwarm einer ganzen Männergene­ration.

Unvergessl­ich ist ihre Rolle in dem Film „Fahrstuhl zum Schafott“von Louis Malle. Der Krimi, in dem sie mit ihrem Geliebten ihren Ehemann beseitigt, brachte ihr den Durchbruch als Schauspiel­erin. Ein legendäres Debüt war der Film 1957 auch für Malle, einen der wichtigste­n Mitbegründ­er der Nouvelle Vague – einer Stilrichtu­ng, die die eingefahre­ne Bildsprach­e des Kommerzkin­os ablehnte.

Malle hatte Moreau in Tennessee Williams Theaterstü­ck „Die Katze auf dem heißen Blechdach“des Regisseurs Peter Brook entdeckt. Die grazile Pariserin war vor ihrer Leinwandka­rriere bereits ein Star des französisc­hen Theaters. Mit 20 Jahren war sie eine der jüngsten Schauspiel­erinnen, die in die Comédie française aufgenomme­n wurde.

Zum internatio­nalen Star machte sie fünf Jahre später François Truffaut. In seiner Dreiecksge­schichte „Jules und

Jim“spielt sie grandios die Catherine, eine unabhängig­e Frau, die zwei Männer liebt.

Moreau brauchte das Kino – und das Kino sie. Sie drehte mit allen großen internatio­nalen Regisseure­n: Angefangen von Michelange­lo Antonioni, Orson Welles bis hin zu Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und François Ozon.

Der Regisseur Joseph Losey nannte ihr Talent ein Wunder. „Sie ist eine Frau, die sich einer Unzahl von Hinderniss­en gegenübers­ieht und sie überwindet, indem sie all ihre Fähigkeite­n einsetzt.“Der USAmerikan­er drehte 1962 mit ihr „Eva“. Moreau spielt darin eine verheirate­te Prostituie­rte, der ein Autor verfällt.

Moreau spielte alles, je nach Film und Drehbuch. Sie war melancholi­sch, unnahbar, verführeri­sch, unabhängig, lebensfroh, verletzlic­h, gerissen und heimtückis­ch. Am meisten haftete ihr jedoch das Klischee der „Femme fatale“an. „Wie kaum einer anderen Schauspiel­erin gelingt es Jeanne Moreau, die Verkörperu­ng des Ewig-Weiblichen mit der ,verruchten‘ Ausstrahlu­ng einer ,Femme fatale‘ zu kombiniere­n“, sagte der ehemalige Berlinale-Direktor Moritz de Hadeln im Jahr 2000. In Berlin wurde Moreau mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk ausgezeich­net.

Einer ihrer wichtigste­n Charakterz­üge aber war ihre Unabhängig­keit. Und so wechselte die Tochter eines französisc­hen Gastronome­n und einer britischen Tänzerin im Jahr 1976 das Metier und feierte mit „Lumière“ihr Regie-Debüt, einem Drama, das die Lebensgesc­hichten von vier Freundinne­n erzählt.

Moreau hatte sich nie auf vorgeschri­ebenen Bahnen bewegt – auch privat nicht. Sie war zweimal verheirate­t und hatte viele Liebhaber. Sie habe viele Männer verführt. Sie habe sich jedoch immer von Männern mit Talent angezogen gefühlt, gestand die Schauspiel­erin einst. Denn das Wichtigste im Leben sei – zu leben.

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 ?? BILDER: IMAGO STOCK&PEOPLE/AP ?? Starke Frau: Jeanne Moreau in der Westernkom­ödie „Viva Maria!8 (1965) von Louis Malle. Kleines Bild: die Schauspiel­erin im Jahr 2003 in Berlin
BILDER: IMAGO STOCK&PEOPLE/AP Starke Frau: Jeanne Moreau in der Westernkom­ödie „Viva Maria!8 (1965) von Louis Malle. Kleines Bild: die Schauspiel­erin im Jahr 2003 in Berlin

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