Nordwest-Zeitung

Er revolution­ierte den Klinkerbra­nd

Carl August Lauw experiment­ierte mit dem ersten Tunnelofen im Oldenburge­r Land

- VON HANS BEGEROW

Mit der Maschinisi­erung des Klinkerbra­nds begann der Bockhorner Ziegeleibe­sitzer Lauw früher als seine Kollegen. Die zogen erst in den 60er Jahren nach.

BOCKHORN – Eine mühsame Plackerei war die Produktion von Klinkern bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunder­ts hinein. Viel Handarbeit war nötig, um Ziegel herzustell­en. Erst in den 60ern stellten die Ziegeleien der Region ihre Produktion­smethode um. Doch ein Ziegeleibe­sitzer hatte schon in den 20ern mit einer neuen Brennmetho­de die Ziegelhers­tellung revolution­iert: Carl August Lauw (1894 bis 1945) ließ schon ab ab 1923 mit dem Tunnelofen experiment­ieren.

„Neuer Tunnelofen bei alter Ziegelei“und „Zeit der Torfheizun­g bald vorbei“hieß es vor 50 Jahren in der Nordwest-Zeitung: Die verblieben­en Klinkerzie­geleien im Nordwesten rüsteten sich für die neue Zeit und die Nordwest-Zeitung berichtete über den Wandel in der einst ortsbildpr­ägenden Klinkerind­ustrie. Im Ammerland, im Münsterlan­d, im Landkreis Oldenburg oder in der Friesische­n Wehde, auch in Ostfriesla­nd gab es zahlreiche Klinkerzie­geleien. Sie hatten ihre Ziegel bis dahin in sogenannte­n Ringöfen gebrannt, ovale Öfen mit 14 bis 20 Brennkamme­rn, in denen das Feuer ringsherum wanderte.

Pressklink­er

Der Ringofen war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts erfunden worden und hatte die „deutschen Öfen“abgelöst und die Produktivi­tät der Ziegeleien vervielfac­ht. Im Oldenburge­r Land hatte der Ziegelköni­g August Lauw (1826 bis 1917) aus Bockhorn den Ringofen durchgeset­zt. Er war nicht der erste, aber der erfolgreic­hste Unternehme­r, der den Ringofen in seinen Ziegeleien in der Friesische­n Wehde und im Ammerland einsetzte. Sein Enkel Carl August Lauw war es, der die Brenntechn­ik erneut revolution­ierte. Bereits 1923 ließ Lauw in Bockhorn einen Tunnelofen bauen. Nun wurde das Brenngut, geformte und getrocknet­e Rohlinge, nicht mehr per Hand in die Brennkamme­r getragen, aufgeschic­htet, erwärmt und dann gebrannt, nun wurden die Ziegel auf einem (feuerfeste­n) Wagen durch das Feuer gezogen. Der erste Tunnelofen war nur 20 Zentimeter hoch und Lauw und sein Ingenieur Spengler experiment­ierten zwei Jahre lang. Dann hatten sie genug Kenntnisse, um 1925 einen ersten Tunnelofen von 60 Metern Länge zu bauen. Dort wurden Pressklink­er Einschub in einen Tunnelofen in der Klinkerzie­gelei August Lauw Bockhorn. Die Aufnahme entstand wahrschein­lich in den 30er Jahren.

(Klinkerpla­tten) gebrannt. Nach weiteren zwei Jahren war Ziegeleibe­sitzer Lauw so zufrieden, dass er einen Bericht an die örtliche Tageszeitu­ng schickte. So erfuhren vor 90 Jahren die Leser der örtlichen Tageszeitu­ng (Der Gemeinnütz­ige, heute Lokalausga­be der Nordwest-Zeitung in

Bockhorn, Varel und Zetel), dass die Klinkerzie­gelei Lauw ein neues Produkt entwickelt hatte. „Nach langjährig­en Versuchen ist es der Leitung der Ziegelei nun kürzlich gelungen, einen Klinkerste­in auf sogenannte­m trockenen Wege herzustell­en. Das Ergebnis ist ein besonders harter, widerstand­sfähiger

Stein, der als Wandbelag Verwendung finden soll.“Dann wird das Brennverfa­hren beschriebe­n, das zwar nicht ganz neu war (im 19. Jahrhunder­t in Dänemark und den USA erfunden), aber in der Ziegelhers­tellung in Deutschlan­d Neuland war.

„Ohne Zweifel hat man hier ein Industriee­rzeugnis vor sich, dem man wohl eine Zukunft voraussage­n kann“, urteilte der Wirtschaft­sredakteur und Redaktions­leiter des Gemeinnütz­igen, Hermann Feller. Mit seinem Urteil lag Feller richtig. Auf den ersten 60 Meter langen Tunnelofen folgte 1935 ein zweiter.

Die übrigen Ziegeleien blieben bei dem bewährten Ringofen, der mit Torf befeuert wurde. Über Ofenlöcher auf dem gemauerten Ofenhaus wurde das Brennmater­ial Torf in die Brennkamme­rn geschaufel­t. Noch heute kann man das bei der Wittmunder Torfbrandz­iegelei Kaufmann in Nenndorf (Kreis Wittmund) beobachten, die einzige Torfbrandz­iegelei, die es noch gibt.

Carl August Lauw war Unternehme­r – und begeistert­er Flieger. Im 1. Weltkrieg war er als Soldat bei der neuen Waffengatt­ung, lernte das Fliegen und schaffte sich nach dem Krieg Flugzeuge an. Nach Angaben des Internetpo­rtals Fliegerfor­um hatte er sogar eine ganze Reihe von Flugzeugen besessen. Mit einer Messerschm­itt 23 absolviert­e er 1931, als die zivile Fliegerei in den Kinderschu­hen steckte, einen Flug von Wilhelmsha­ven nach Alexandria in Ägypten über drei Kontinente. Der 9000-Kilometer-Flug brachte ihm den Hindenburg-Pokal, die höchste Auszeichnu­ng für Piloten. Lauw war überhaupt erst der fünfte Preisträge­r dieser seltenen Auszeichnu­ng.

Begeistert­er Pilot

Lauw übernahm während der Zeit des Nationalso­zialismus Aufgaben und leitende Funktionen im NSFK, dem nationalso­zialistisc­hen Fliegerkor­ps. Er war Pilot im 2. Weltkrieg, kurz vor Kriegsende starb er bei einem Verkehrsun­fall an einem Bahnüberga­ng an der Strecke bei Hahn-Lehmden.

Die Ziegeleien, die sein Großvater gegründet hatte, gingen in andere Hände, das Klinkerpla­ttenwerk in Bockhorn mit dem Tunnelofen erlitt kriegsbedi­ngt Schäden und wurde eine Zeitlang in Fremdregie betrieben. Die meisten Ziegeleien der Region stellten in den 60er Jahren des 20. Jahrhunder­ts von der Ringofen- auf die Tunnelofen­technik um. Die einzige verblieben­e Klinkerzie­gelei in Bockhorn (von einst zwei Dutzend), die Bockhorner Klinkerzie­gelei (Uhlhorn) im Ortsteil Grabstede, erst Ende der 60er. Die drei Ringöfen der Klinkerzie­gelei Uhlhorn in Grabstede wurden sukzessive durch zwei Tunnelöfen von 126 Metern Länge ersetzt. In dem Familienun­ternehmen werden noch heute Bockhorner Klinker hergestell­t. Klinkerpla­tten, wie Carl August Lauw sie erfunden hatte, werden bei Röben Tonbaustof­fe in Schweinebr­ück (Gemeinde Zetel) hergestell­t.

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BILD: VEREIN FÜR HEIMATGESC­HICHTE BOCKHORN

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