Nordwest-Zeitung

Agententhr­iller elektrisie­rt Berlin

Vietnam bestreitet die Entführung eines unliebsame­n Geschäftsm­anns aus Deutschlan­d

- VON CHRISTOPH SATOR UND ANNE-BÉATRICE CLASMANN

Hintergrun­d der Affäre sind Machtkämpf­e und wohl auch Korruption. Die Bundesregi­erung wies den Residenten des vietnamesi­schen Geheimdien­stes aus.

BERLIN/HANOI – Auf dem Foto, das man nun von ihm kennt, sitzt Trinh Xuan Tanh entspannt auf einer Berliner Parkbank. Heute, so viel weiß man, geht es dem 51-jährigen Geschäftsm­ann aus Vietnam sehr viel schlechter. Nach seiner mutmaßlich­en Verschlepp­ung aus Deutschlan­d ist er nun in einem Lager in Hanoi inhaftiert, der Hauptstadt seiner alten Heimat. Das wurde am Donnerstag bekannt. Der Fall Trinh Xuan Tanh (kurz: TXT) belastet die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Vietnam erheblich.

Die Affäre war am Donnerstag auch Thema im vietnamesi­schen Außenminis­terium. Nachdem es über viele Stunden hinweg auf die deutsche Drohung mit „massiven negativen“Folgen keine offizielle Reaktion gegeben hatte, bemühte sich die Regierung des kommunisti­schen Einparteie­nstaats nun, die Wogen zu glätten. Ministeriu­mssprecher­in Le Thi Thu Hang betonte: „Vietnam legt immer großen Wert auf die strategisc­he Partnersch­aft mit Deutschlan­d.“

Lugleich äußerte sie ihr „großes Bedauern“über die deutsche Entscheidu­ng, den obersten Statthalte­r des vietnamesi­schen Geheimdien­stes in Berlin auszuweise­n. Die Bundesregi­erung hatte den Diplomaten am Mittwoch zur „unerwünsch­ten Person“erklärt.

Auf die deutsche Forderung, den Geschäftsm­ann zurückreis­en zu lassen, ging die Sprecherin in Hanoi nicht ein. Im Gegenteil: Sie bekräftigt­e eine offizielle Stellungna­hme, wonach sich „TXT“selbst gestellt habe. Dessen deutsche Anwältin Petra Isabel Schlagenha­uf erklärte jedoch: „Mein Mandant hätte sich unter keinen Umständen freiwillig in die Hände vietnamesi­scher Behörden begeben. Ihm war bewusst, dass er in Vietnam aus politische­n Gründen keinerlei rechtsstaa­tliches Verfahren zu erwarten hatte.“

Vieleslieg­timDunkeln.Auf welchem Weg und warum er in sein Heimatland gebracht wurde, ist genau so offen wie die Hintergrün­de. Ist Thanh tatsächlic­h ein korrupter Parteifunk­tionär, der sich persönlich bereichert hatM Wird er aus politische­n Gründen verfolgtM Oder ist es eine Mischung aus beidemM

Trinh Xuan Thanh wird zur Last gelegt, als Chef einer Tochterfir­ma des staatliche­n Öl- und Gaskonzern­s PetroVietn­am für Verluste von umgerechne­t etwa 125 Millionen Euro verantwort­lich zu sein – angeblich ein typischer Fall von Korruption. Anwältin Schlagenha­uf sieht ihn hingegen als „Opfer eines Machtkampf­s innerhalb der Kommunisti­schen Partei“. In Deutschlan­d hatte er bereits Antrag auf Asyl gestellt.

P KOMMENTAR, SEITE 4

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BILD: DPA Trinh Xuan Thanh sitzt in dieser undatierte­n Aufnahme in Berlin auf einer Parkbank.

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