Achtung aufwachen!
Der Diesel-Gipfel lässt nur Verlierer zurück. Zum einen die Verbraucher, die von einer echten Kompensation für geschönte Abgaswerte weiterhin nur träumen können. Zum anderen die unsägliche Allianz aus Politik und Autoindustrie, die sich durch ihre öffentliche Kungelei selbst diskreditiert hat, nicht in der Lage war, Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Riskiert wird damit nichts weniger als der Wohlstand unserer Nation, denn längst geht es nicht mehr nur um den Diesel. Mit mehr als 500 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr sind die Autobauer und ihre zahlreichen Zulieferer der Motor unserer Wirtschaft. Sie sorgen für ein Fünftel aller deutschen Exporte. Ziel kann nicht sein, die Selbstabschaffung und Zerstörung dieser Schlüsselbranche zu betreiben. Doch mit ihrer Weigerung zur Selbstkritik, mit ihrem mangelnden Schuldeingeständnis ist sie dabei, sich selbst die Grube zu graben, in die sie stürzen könnte. Hochmut kommt vor dem Fall.
Es ist dieser Tage viel vom Betrug am Kunden die Rede. Doch auch diese haben ihren Anteil an der Misere. Vielen Deutschen waren bei den geliebten, hochpreisigen Karossen die Abgaswerte schlicht egal, was diese Woche erneut sehr gute Verkaufszahlen der Hersteller belegten. Das Problem sitzt tiefer. Nun wird es existenziell.
Die Autobranche hält auf Biegen und Brechen am Alten fest. Nur, wer den Wandel scheut, kommt auf die Idee – auf dem Höhepunkt der eigenen Entwicklung – Abgaswerte zu manipulieren, Kunden zu betrügen. Ein Zeichen der Schwäche dem Neuen gegenüber. Die Autobranche preist stets die eigene Innovationskraft, in ihrem Inneren aber dominiert eine Kultur des „weiter so“. Großbritannien, Frankreich, Norwegen und Indien denken längst an das Ende des Verbrennungsmotors. Unternehmen wie Tesla oder Volvo tun es auch. Schon sehr bald wird es billiger sein, ein Elektroauto herzustellen als einen Verbrenner.
Diese Entwicklung wird sich weiter verschärfen. Alte Produktionskapazitäten werden nicht mehr gebraucht, denn Elektro-Autos brauchen viele Teile nicht mehr, schon gar keine Abgasreinigung. Für die deutsche Zulieferer-Branche heißt das, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Deutschland hat keine eigene Batterieproduktion, Japan und Korea schon. Die USA werden die Software für die Autos der Zukunft liefern. Angesichts des Neuen verwandeln sich hierzulande gewachsene Stärken in Schwächen. Bislang reibungslose und hocheffiziente Produktionsund Lieferketten werden zu teuren, schwerfälligen Altlasten.
Faktisch brachte der Diesel-Gipfel null Ergebnis. Sichtbar aber wurde eines: Wir alle müssen endlich aufwachen und gemeinsam den Wandel einer Schlüsselbranche gestalten. Wir alle heißt: Industrie, Politik und die Kunden.