Nordwest-Zeitung

Mußenseite­rin wird zur Überläufer­in

5lke Twestens langsame Entfremdun­g von den Grünen

- VON MARCO SENG

Die 54-Jährige aus Scheeßel engagierte sich für Frauenpoli­tik, Finanzen und Häfen. Sie flirtete schon länger mit der CDU, mit dem Wechsel überrascht sie dennoch.

HANNOVER,SCHEEßEL – DaD KlD auf der Ostsee ist zentimeter­dick. Die ganze Nacht kämpft sich die Fähre von Helsinki nach St. Petersburg langsam nach Osten. Mehrfach fährt sich das Schiff fest, im Morgengrau­en geht es nicht mehr vorwärts.

Als ein atomgetrie­bener Eisbrecher aus Russland auftaucht, um die Fahrrinne für kurze Zeit frei zu machen, lästern die Abgeordnet­en von CDU und SPD gemeinsam über Elke Twesten. Eine GrünenPoli­tikerin könne sich doch nicht von einem Atom-Eisbrecher retten lassen. Da müsse sie wohl von Bord gehen.

Hätte Twesten den Spott der Männerrieg­e damals gehört, sie hätte ihn vielleicht weggeläche­lt, vielleicht auch schnippisc­h gekontert. Im März 2011, bei der Reise des Hafen-Ausschusse­s nach Skandinavi­en und Russland.

Elke Twesten blieb an Bord und auf Kurs: atomkritis­ch, umweltbewu­sst, frauenbewe­gt. Eigentlich eine Vorzeige-Grüne, trotzdem eher Außenseite­rin in Partei und Fraktion. Eine Realpoliti­kerin, vom dominanten linken Flügel der Grünen in Niedersach­sen kritisch beäugt.

Twesten gehört dem Landtag seit 2008 an – nie in vorderster Front, aber auch keine klassische Hinterbänk­lerin. Weil es so etwas in kleinen Fraktionen, wo viele Aufgaben auf wenige Schultern zu verteilen sind, kaum gibt. Sie kümmert sich im Landtag um Frauen- und Finanzpoli­tik und um die Häfen.

Elke Twesten, die aus Scheeßel im Kreis Rotenburg stammt, ließ sich nach dem Abitur zur Fremdsprac­hensekretä­rin ausbilden, studierte Finanzwirt­schaft an der FachSigder hochschule des Bundes in maringen, arbeitete bei Oberfinanz­direktion HamZollver­waltung. burg in der Seit 2006 ist die Mutter von drei erwachsene­n Töchtern Kreistagsa­bgeordnete im Landkreis Rotenburg/Wümstellve­rtreKreise­ngaalFraue­npolitik, me, seit 2011 auch tende Landrätin und tagsvorsit­zende.

Frisch im Landtag giert sich Twesten 2008 vor lem für die kämpft für eine Frauenquot­e in Unternehme­n und die Stärnatürk­ung der lichen Geburt, legt sich mit der schwarz-gelben Landesregi­erung an. „CDU und FDP führen in ihrem Schlankhei­tswahn um immer weniger Staat die Frauenpoli­tik in Niedersach­sen in die Bedeutungs­losigkeit“, schimpft sie, als das CDUgeführt­e Sozialmini­sterium 2009 die Frauenabte­ilung auflösen will.

Twesten, die einen Jagdschein hat, engagiert sich für den Jade-WeserPort in Wilhelmsha­ven, lehnt eine Vertiefung der Weser und den Bau der Küstenauto­bahn A 20 im Nordwesten ab.

Twesten ist ehrgeizig, wägt ihre Worte gut ab, bleibt im Parlament aber eher unauffälli­g. In die Schlagzeil­en schafft sie es selten.

Wann der Bruch mit den Grünen beginnt, ist unklar. Schon vor der Landtagswa­hl 2013 habe es zwischen ihr und großen Teilen der Partei einen Entfremdun­gsprozess gegeben, wird kolportier­t. Vermutbarl­andkreis lich ein schleichen­der Prozess. Dass sie 2014 im Nach- Stade als Grünen-Landratska­ndidatin ansehen tritt, viele in der Partei kritisch. Dass sich Twesten trotz Regierungs­koalition mit der SPD offen für Schwarz/Grün als eine mögliche Perspektiv­e ausspricht, sich mit CDU-Powie litikern Fraktionsc­hef Björn Thümler (Berne) gut versteht, bringt ihr auch keine Punkte in der Öko-Partei ein. Im Gegenteil. Sie sei von vielen Parteifreu­nden eher gemieden worden, heißt es. Auch, dass Twesten sich im Laufe der Zeit schicker kleidet, fällt in Hannover auf. Im Mai dieses Jahres geht die Liebe endgültig in die Brüche. Twesten, die zweimal über die Landeslist­e in den Landtag einzog, versucht erneut, in ihrem Wahlkreis Rotenburg für die Grünen aufgestell­t zu werden, unterliegt aber der Gegenkandi­datin Birgit Brennecke deutlich mit zehn zu 17 Stimmen. Ein absoluter Tiefschlag. „Die Vorgänge haben mich betroffen gemacht“, sagt Twesten. Wann die Gespräche mit der CDU über einen Wechsel begannen? Thümler will seit dem Frühjahr von ihrem Wunsch gewusst haben. Twesten ist nicht die erste Überläufer­in zu den Christdemo­kraten in den vergangene­n Jahren. 2009 wechselte die Abgeordnet­e Swantje Hartmann aus Delmenhors­t die Fraktionen, nachdem sie sich mit der SPD überworfen hatte. An den Machtverhä­ltnissen im Landtag änderte das damals nichts. Elke Twesten hingegen hat nun ein politische­s Erdbeben ausgelöst – und es jetzt auch in die Schlagzeil­en geschafft.

HDieserSch­rittfällt mir nicht leicht. Aber er ist n twendig.“ELKE TWESTEN ZUM PARTEI- UND FRAKTIONSW­ECHSEL

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DPA-BILD: HOLLEMANN Die ehemalige Grünen-Politikeri­n Elke Twesten auf dem Weg zur Pressekonf­erenz der CDU-Fraktion

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