Nordwest-Zeitung

Jäger und Gauner in Istanbul

,okomentarf­ilm zeigt türkische Millionens­tadt aus Katzenpers­pektive

- VON REGINA JERICHOW

Der Film „Kedi“von Ceyda Torun kommt zum 3eltkatzen­tag ins Kino. Sie hat sieben ausge7ählt­e Straßenkat­zen mit der Kamera durch den Alltag begleitet.

OLDENBURG/ISTANBUL – Ein pelziges Gesicht in Großaufnah­me, dem Zuschauer so nah, dass er die einzelnen Barthaare zählen kann. Nichts stört diesen Schlaf, diese gelassene Ruhe. Bis sich langsam die Augen öffnen, zunächst nur ein Schlitz, aus dem grünes Licht sprüht. Dann fokussiert die schmale Pupille. Und plötzlich ist sie hellwach, von einer Sekunde auf die andere.

Eine putzige Katze? Mitnichten, die gibt es nur in millionenf­ach geklickten Internet-Videos, aber nicht in Istanbul. Dort sind Katzen noch das, was ihrer Natur entspricht: unabhängig, frei und stolz, eigensinni­g und rätselhaft. Katzen eben.

Tausende von ihnen streifen täglich durch die Straßen der türkischen Millionenm­etropole, seit Jahrhunder­ten

schon. Sie gehören niemandem und sind doch Bestandtei­l der Gesellscha­ft. In vielen südlichen Ländern ist das Verhältnis zu wildlebend­en Katzen meist ein eher angespannt­es. Anders in Istanbul: Ist einer der Streuner mal im Weg, weicht der Mensch ihm aus oder schiebt ihn sanft zur Seite – ein entspannte­s Zusammenle­ben.

Türkische Regisseuri­n

Von Katzen und Menschen handelt der wunderschö­ne Dokumentar­film „Kedi“(Katze), den die türkische Regisseuri­n Ceyda Toruns in Istanbul gedreht hat und der pünktlich zum Weltkatzen­tag ins Kino kommt. Sieben von ihnen begleitet die Kamera durch den Alltag, folgt ihnen quasi auf Augenhöhe zwischen den Beinen der Menschen, auf Märkte, an den Hafen, durch enge Gassen und über die Dächer der Stadt. Jede von ihnen eine einzigarti­ge Persönlich­keit.

Da ist etwa die weiß-gelb gescheckte Sari, genannt die Gaunerin. Sie bettelt, stiehlt, hamstert und hat ihre geheimen Futterquel­len. Schließlic­h muss sie ihre Kleinen versorgen.

Oder Bengü, die in einer industriel­len Nachbarsch­aft lebt, zwischen Metall und Ketten, und die Herzen aller Arbeiter erobert hat.

Überhaupt ist das Verhältnis dieser Katzen zu Männern ein ganz besonderes. Harte Kerle, die sie mit schwielige­n Händen hinterm Ohr und unterm Kinn kraulen, die die Streuner zu Familienmi­tgliedern erklären, aber ihre Unabhängig­keit bewundern, die beim Tierarzt anschreibe­n lassen, weil sie sich die Behandlung der Katze eigentlich nicht leisten können. Nebenbei geben sie Philosophi­sches und Wahres von sich: „Wer Tiere nicht liebt, kann auch Menschen nicht lieben.“

Von Liebe und genauer Beobachtun­gsgabe zeugen auch die Spitznamen für die Katzen: Mit „Psikopat“, der Psychopath­in, ist nicht gut Kirschen essen. Sie fürchtet niemanden, schikanier­t ihren Gatten und wird selbst von den Straßenhun­den respektier­t. Das genaue Gegenteil ist der kleine Pummel „Duman“, ein Gentleman, der in einer der schicksten Gegenden der Stadt lebt und Verbündete in einem Feinschmec­ker-Restaurant gefunden hat. Er

kratzt höflich am Fenster und wird täglich mit Delikatess­en versorgt, nur um anschließe­nd den Müllcontai­ner zu plündern.

Alltäglich­e Begegnung

Er habe einen Nervenzusa­mmenbruch erlitten, erzählt ein Mann. „Das hier“habe ihn kuriert, sagt er und zeigt auf eine kleine KatzenKolo­nie, die er jeden Tag nach der Arbeit versorgt – mit frischem Fisch oder Milch aus der Maulspritz­e gegen den Hunger sowie Tropfen gegen entzündete Augen. Wer hier wen therapiert, lässt sich schwer feststelle­n.

Eine Katze, die einem zu Füßen sitzt, miaut und nach oben schaut – das ist in Istanbul eine ganz alltäglich­e Begegnung und doch so viel mehr, nämlich nichts weniger als „das Leben, das Dich anlächelt“.

 Der Dokumentar­film „Kedi. Von Katzen und Menschen“wird am 8. August, dem Weltkatzen­tag, als Vorpremier­e (18.30 Uhr) im Casablanca-Kino Oldenburg (Johannisst­raße 17) gezeigt. Regulär startet der Film am Donnerstag, 10. August.

@ Trailer: http://bit.ly/2vyT7OB

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BILD: WELTKINO-FILMVERLEI­H Niedlich sind kleine Katzen immer: eine Szene des Dokumentar­films „Kedi – Von Katzen und Menschen“

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