Neben der Staffelei ein geladener Revolver
Kunsthalle Bremen beleuchtet koloniale Spuren in eigener Sammlung
BREMEN – Als der Expressionist Emil Nolde 1913 auf seiner Südsee-Expedition die Bevölkerung Neu-Guineas porträtierte, hatte er einen geladenen Revolver dabei. Das verParadies meintliche war anders als erwartet, nicht alle wollten sich freiwillig malen lassen. Er selbst schrieb über die Begegnung in den deutschen Kolonien im Pazifik: „Es hat vielleicht niemals ein Maler unter solcher Spannung gearbeitet.“
Noldes „Eingeborenenporträts“sind von Samstag an in der Kunsthalle Bremen zu sehen, zusammen mit Schiffsmodellen, Masken, Landkarten, Kolonialwaren und Sehnsuchtsmotiven auf Werbeplakaten der Reederei Norddeutscher Lloyd.
Die Ausstellung „Der blinde Fleck. Bremen und die Kunst in der Kolonialzeit“soll eine kritische Schule des Sehens sein, sagte Kuratorin Julia Binter am Freitag: „Ich möchte, dass wir aus der Geschichte lernen.“Es sei mutig und notwendig, dass sich ein Kunstmuseum auf diese Spurensuche begeben habe. Die mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes entwickelte Ausstellung ist eine Reise in das 19. und frühe 20. Jahrhundert. Das war die Zeit, als die Hansestadt Bremen
durch globale Handelsbeziehungen reich wurde. Kaufleute machten mit Tabak, Kakao, Baumwolle, Früchten, Indigo und weltweiten Schiffsrouten Geld und wurden zu stolzen Mäzenen der Kunsthalle Bremen.
Die Faszination des Fremden prägte auch Träume und Fantasien expressionistischer Maler. Ernst Ludwig Kirchner hat das Porträt der „Schlafenden Milli“durch ihre dunkle Hautfarbe exotisch aufgeladen. Paula Modersohn-Becker malte 1905, was exotisch war: die ersten über Bremerhaven eingeführten Bananen. Karl Schmidt-Rotluff ließ sich von afrikanischen Pfeifenköpfen inspirieren.
Wie rassistisch einige Künstler dachten, verdeutlicht Ethnologin Binter am Beispiel der Bronzefiguren von Fritz Behn. Der Bildhauer kannte die Kolonie DeutschOstafrika von seinen eigenen Reisen und hat für Bremen den zehn Meter hohen Klinker-Elefanten hinter dem Bahnhof geschaffen. In der Schau spiegeln seine Bronzen rassistische Theorien der Kolonialzeit: Die Volksgruppen der Massai und Nubier zeigt er als sogenannte „edle Wilde“, aufrecht und muskulös. Andere Afrikaner hingegen als entfesselte Kreaturen mit aufgeblähtem Bauch und eingefallener Brust.
Afrikanische Künstler wiederum stellten die Europäer damals augenzwinkernd als Männer dar, die sich pfeiferauchend in Sänften durchs Land tragen ließen. Diese außereuropäische Perspektive ist Binter wichtig. Und so hat sie eine deutsch-nigerianische Künstlerin eingeladen, sich mit den klischeehaften Darstellungen schwarzer Menschen auf alten Verpackungen von Kolonialwaren auseinanderzusetzen: Entstanden sind Kohlezeichnungen selbstbewusster Frauen mit afrikanischen Wurzeln.