Digitalisierung in der Medizin – Chancen und Risiken
Kaum ein Bereich des Lebens bleibt von der Digitalisierung unberührt. Die großen Datenmengen in der Industrie, der Geldwirtschaft, in Verwaltungen und in Lenkungssystemen im Verkehr lassen sich heute ohne eine zuverlässige Digitalisierung nicht mehr bewältigen. So ist es verständlich, dass das Thema auch in der Medizin Einzug hält.
Es stellt sich aber die Frage, ob Systeme, die zum Beispiel die Suizidgefährdung eines Menschen identifizieren und gegenwärtig getestet werden, wirklich sinnvoll sind. Ganz ohne Frage besteht gerade in der Medizin mit ihren riesigen Datenmengen, die in Papierform oder elektronisch gespeichert sind, die Hoffnung, die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung für die Patienten und für die Planung von Gesundprogrammen nutzen zu können.
Schon jetzt gibt es viele Menschen, die mittels Fitnessarmbändern ihre Bewegungsaktivitäten überprüfen. Private Versicherungen bieten die Möglichkeit an, über die Übermittlung von gesundheitsrelevanten Daten (Ernährung, Bewegung) günstigere Tarife zu erhalten. Es bleibt zu fragen, ob die daraus resultierenden Empfehlungen überhaupt eine gesundheitliche Relevanz – im Sinne einer Prävention – haben.
Die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Einführung der Gesundheitskarte waren ein Hinweis und Warnsignal, dass Datenschutz, Datensicherheit, Datensparsamkeit und Zweckbindung große Herausforderungen darstellen. Nicht zuletzt die Datensouveränität, die der Patient und sein behandelnder Arzt in Anspruch nehmen müssen, ist ein Grundrecht.
Heute ist in einer Klinik die Arbeit, bei der große Datenmengen anfallen, die möglichst allen in der Behandlung und Diagnostik Beteiligten schnell und sicher zur Verfügung stehen müssen, ohne ein sicheres EDV-System nicht möglich. Auch in Arztpraxen ist der Einsatz der EDV und der Dokumentationssysteme Standard.
Eine besondere Möglichkeit, die Digitalisierung zu nutzen, besteht zum Beispiel in der Therapie des Diabetes. Mittels eines implantierten Chips können durch fortlaufende Messungen des Blutzuckerspiegels frühzeitig Probleme identifiziert werden. Mit einer Smartphone-App lässt sich dann der Verlauf des Blutglukosespiegels exakt erkennen und bei Bedarf korrigieren. Der HbA1c-Spiegel kann, sollten häufiger zu niedrige Spiegel vorliegen, eine falsche Normalität vortäuschen. An diesem Beispiel lässt sich sehr gut nachweisen, welche Möglichkeiten sich mit der neuen Technik eröffnen.
Die digitale Dokumentation von Diagnosen und verschiedener Medikamente bei Multimorbiden (Polymedikation) kann helfen, Fehler zu vermeiden und im Notfall eine sichere Orientierung der behandelnden Ärzte ermöglichen, insbesondere dann, wenn auch noch eine Eigenmedikation erfolgt. Selbstverständlich bieten sich in Gegenden, in denen der Arzt nur sehr schwer erreichbar ist, Möglichkeiten der Kommunikation mittels Datenübertragung.
Der Anspruch des Patienten auf seine Datensouveränität muss für die Industrie (Apple, Google und andere) und den Gesetzgeber oberste Verpflichtung sein. Die Zukunft lässt sich nicht aufhalten, die neuen Möglichkeiten der digitalen Medizin sollten deshalb in das Studium des medizinischen Nachwuchses Eingang finden.